Rilke, Rainer Maria
(1875 - 1926)

Der weltberühmte Lyriker aus Prag ist Trakl zwar niemals begegnet, nahm seine Dichtung aber sehr unmittelbar zur Kenntnis, da er in Austausch mit Trakls Freund und Mentor Ludwig von Ficker stand.
In Briefen an diesen findet Rilke 1915 einige sehr verdichtete Formulierungen seiner Eindrücke:

Gestern abend erst fand ich in dem Umschlag (...) Trakl's Helian -, und danke Ihnen ganz besonders für die Sendung. Jedes Anheben und Hingehen in diesem schönen Gedicht ist von einer unsäglichen Süßigkeit, ganz ergreifend war es mir durch seine inneren Abstände, es ist gleichsam auf seine Pausen aufgebaut, ein paar Einfriedungen um das grenzenlos Wortlose: so stehen die Zeilen da. Wie Zäune in einem flachen Land, über die hin das Eingezäunte fortwährend zu einer unbesitzbaren großen Ebene zusammenschlägt. (...)
Trakl's Gestalt gehört zu den linoshaft mythischen; instinktiv faß ich sie in den fünf Erscheinungen des "Helian". Greifbarer hat sie wohl nicht zu sein, war sie es wohl nicht aus ihm selbst...

Inzwischen habe ich den "Sebastian im Traum" bekommen und viel darin gelesen: ergriffen, staunend, ahnend und ratlos; denn man begreift bald, daß die Bedingungen dieses Auftönens und Hinklingens unwiederbringlich einzige waren, wie die Umstände, aus denen eben ein Traum kommen mag. Ich denke mir, daß selbst der Nahstehende immer noch wie an Scheiben gepreßt diese Aussichten und Einblicke erfährt, als ein Ausgeschlossener: denn Trakls's Erleben geht wie in Spiegelbildern und füllt seinen ganzen Raum, der unbetretbar ist, wie der Raum im Spiegel. (Wer mag er gewesen sein?)

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