Stefan George
12.7.1868, Bingen - 4.12.1933, Minusio bei Locarno.
Auch in der Nische: Links
Du schlank und rein wie eine flamme
Du wie der morgen zart und licht
Du blühend reis vom edlen stamme
Du wie ein quell geheim und schlicht
Begleitest mich auf sonnigen matten
Umschauerst mich im abendrauch
Erleuchtest meinen weg im schatten
Du kühler wind du heisser hauch
Du bist mein wunsch und mein gedanke
Ich atme dich mit jeder luft
Ich schlürfe dich mit jedem tranke
Ich küsse dich mit jedem duft
Du blühend reis vom edlen stamme
Du wie ein quell geheim und schlicht
Du schlank und rein wie eine flamme
Du wie der morgen zart und licht.
[aus dem Zyklus "Das Neue Reich", 1928]
Nietzsche
Schwergelbe wolken ziehen übern hügel
Und kühle stürme - halb des herbstes boten
Halb frühen frühlings... Also diese mauer
Umschloss den Donnerer - ihn der einzig war
Von tausenden aus rauch und staub um ihn?
Hier sandte er auf flaches mittelland
Und tote stadt die lezten stumpfen blitze
Und ging aus langer nacht zur längsten nacht.
Blöd trabt die menge drunten · scheucht sie nicht!
Was wäre stich der qualle · schnitt dem kraut!
Noch eine weile walte fromme stille
Und das getier das ihn mit lob befleckt
Und sich im moderdunste weiter mästet
Der ihn erwürgen half sei erst verendet!
Dann aber stehst du strahlend vor den zeiten
Wie andre führer mit der blutigen krone.
Erlöser du! selbst der unseligste -
Beladen mit der wucht von welchen losen
Hast du der sehnsucht land nie lächeln sehn?
Erschufst du götter nur um sie zu stürzen
Nie einer rast und eines baues froh?
Du hast das nächste in dir selbst getötet
Um neu begehrend dann im nachzuzittern
Und aufzuschrein im schmerz der einsamkeit.
Der kam zu spät der flehend zu dir sagte:
Dort ist kein weg mehr über eisige felsen
Und horste grauser vögel - nun ist not:
Sich bannen in den kreis den liebe schliesst..
Und wenn die strenge und gequälte stimme
Dann wie ein loblied tönt in blaue nacht
Und helle flut - so klagt: sie hätte singen
Nicht reden sollen diese neue seele!
[aus dem Zyklus "Der Siebente Ring", 1907]
Fern ist mir das blumenalter
Wo die zähre noch genuß.
Starb im reif der sommerfalter
Dem ein atem schon ein kuss?
Der auf gras und klee und garbe
Und in reiche gärten flog ·
Einen hauch von duft und farbe
Rasch aus allen blüten sog?
Dem die nacht ein gut erteilte
Das er tags umsonst erspäht ·
Den sie mit der hoffnung heilte
Dass ihn doch die tulpe lädt.
Kommt er wieder mit den meisen
Mit der lerchen erstem ton?
Wird er neu den juni preisen
Schläft er oder starb er schon?
[aus dem Zyklus "Algabal", 1892]
Porta Nigra
Dass ich zu eurer zeit erwachen musste
Der ich die pracht der Treverstadt gekannt
Da sie den ruhm der schwester Roma teilte ·
Da auge glühend groß die züge traf
Der klirrenden legionen · in der rennbahn
Die blonden Franken die mit löwen stritten ·
Die tuben vor palästen und den Gott
Augustus purpurn auf den goldnen wagen!
Hier zog die Mosel zwischen heitren villen ..
O welch ein taumel klang beim fest des weines!
Die mädchen trugen urnen lebensschwellend -
Kaum kenn ich diese trümmer · an den resten
Der kaiserlichen mauern leckt der nebel ·
Entweiht in särgen liegen heilige bilder ·
Daneben hingewühlt barbarenhöhlen..
Nur aufrecht steht noch mein geliebtes tor!
Im schwarzen flor der zeiten doch voll stolz
Wirft es aus hundert fenstern die verachtung
Auf eure schlechten hütten (reisst es ein
Was euch so dauernd höhnt!) auf eure menschen:
Die fürsten priester knechte gleicher art
Gedunsne larven mit erloschnen blicken
Und frauen die ein sklav zu feil befände -
Was gelten alle dinge die ihr rühmet:
Das edelste ging euch verloren: blut..
Wir schatten atmen kräftiger! Lebendige
Gespenster! Lacht der knabe Manlius..
Er möchte über euch kein zepter schwingen
Der sich des niedrigsten erwerbs beflissen
Den ihr zu nennen scheut - ich ging gesalbt
Mit perserdüften um dies nächtige tor
Und gab mich preis den söldnern der Cäsaren!
[aus dem Zyklus "Der Siebente Ring", 1907]
|