Sentimentalität
das letzte Mal hab ich geweint
als der Säbelzahntiger ausstarb
dieses herrliche geschmeidige grausame
lusthungrige Tier
dessen Fauchen Sturm war
und vorher glaub ich einmal
als alle Saurier verreckten
wegen der Eiszeit
oder wegen eines Sternabsturzes
denn es waren unersetzliche Bestien
und nun weine ich fast
weil du sagst
dass du mich brauchst
ich aber leider
nicht mehr zu
gebrauchen bin
(1982)
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Mondin
haucht mundig
aus weißer Haut
prall und zart
ihre Sichellippe schattet weich
krauses Blau über Nacht
atmet auf Erde den Sog
eine Milchbrust mit Silbertau
und Schamhaarbüschel schwimmen
duftnah schleierlos
das volle Antlitz
mundigen Namens
speit speichlige Fruchtwasser haucht
durch Dunkeln und Leuchten
alles rausches Gewoge
zu ruhen in ihren Schoß
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Mit-Menschen
der Körper braucht die Fühllust fordert
die Kehlen tönen mit und nach
die Ohren nicken einverständig
vom Zeitplan gibt man sich Minuten
in Zähnen steckt das Quecksilber
die Münder lutschen Freizeit ab
Termine laufen ab und über
Geschlechtsorgane touchieren sich
die Rückenknochen sind verschlissen
die Lebern dunsen weiter auf
man schweigt zum siebten Mal dasselbe
die Glücke grasen einander ab
man frönt dem Augenblick als Spiegel
man hudelt Lob und lästert heimlich
des eigenen Unwohls Schmied ist jeder
es geht sich gut und geht vorüber
(1993)
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Irisbogen
untastbar am Horizont
feuchter transparenter Steg
Schlangenwechselbalg
von Sol und Donnerwolken
ergleißt durch luftige Haut
gelehnt an den Bauch
der Erde
Vision
verfolgt vorm
Erlöschen
(1993/2003)
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Dorffriedhof
mit Gelächter und Radio
mähen junge Leute
eine Wiese frei
für Fallobst
abseits
die geneigte Schale
im blassroten Mauerrand
drängeln Steinmale
glänzend geschliffen
nach ihrer Lücke
stockgestützt sucht
die alte Frau
hinter ihren Lippen
spazieren eingravierte
Namen noch einmal
(1996)
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Anrufbeantworter
dieser Anschluss ist nicht
zu sprechen aber
beantwortet jede Frage
bevor sie gestellt ist
ich surre und banne fest
mein Bediener west ab privat oder mobil
der surrt auch gern
in Frühlingen Weinen Nachtigallen Bildschirmen
könnte Gesprächsteilnahme verweigern
hinter Blättern Spiegeln Koitussen
nicht zu erreichen sein
ich surre Ersatz und piepe gleich
du hast hierher gewählt
kannst dich ins Band
meines Schweigens bannen
ab jetzt neunzig Sekunden
(1997)
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privatim
entriegle ich die Tür und
verlege mich nach draußen -
mein Schatten bleibt
drinnen angebunden
geknebelt und gefesselt
an jeder Extremität
liegt er auf dem Bett
und fügt sich ohne Murren
unter grauer Larve eile ich
zu den Geschäften, schwatze mich
zu Waren und Erfolgen -
wenn nur nichts durchscheint
er harrt indessen seines Wärters
räkelt den durstigen Leib
leuchtet bunt und lächelt stumm
bis wir uns wieder einen
dann nachten wir und tagen
über Verliese und Exklaven
wer von uns mehr Leid oder Lust habe
wo wir gemeinsam wesen könnten
(1998/2003)
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wurm-end
o k a y u m o k a y k l i c k e n w i r
auf die Projektionsflächen
in unsere Sicherheitsspeicher
laufen aus Schleifen zum Neustart
s t ü c k u m s t ü c k s t ü r z e n w i r
aus jedem Schirm und Netz
ohne Elektrisieren und Flimmer
fragmentiert sich die Entropie
a b
(1998/2004)
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sitzt auf lächelndem Stier
dem Buckel der Welt
raunt freundlich in seinen Bart
was nicht mehr sein kann
sei noch am wesen
was nicht mehr wese
sei das wesen -
lässt sich tragen
ins uralte Vergessen
ruhend in sanftem Traben
lässt sich gleiten
ins entvölkerte Exil
ist kräftig leer
von beredter Stille
und wird weiter gebraucht
Laudzi
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