Andreas Gryphius
2.10.1616, Glogau - 16.7.1664, Glogau.
Der bedeutendste Lyriker und Dramatiker des Barock im
deutschen Sprachraum.
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An sich selbst
Mir grauet vor mir selbst, mit zittern alle Glieder,
Wenn ich die Lipp' und Nas' und beider Augen Kluft,
Die blind vom Wachen sind, des Atems schwere Luft
Betracht', und die nun schon erstorbnen Augenlider.
Die Zunge, schwarz vom Brand, fällt mit den Worten nieder,
Und lallt ich weiß nicht was; die müde Seele ruft
Dem großen Tröster zu, das Fleisch reucht nach der Gruft,
Die Ärzte lassen mich, die Schmerzen kommen wieder,
Mein Körper ist nicht mehr als Adern, Fell und Bein.
Das Sitzen ist mein Tod, das Liegen eine Pein.
Die Schenkel haben selbst nun Träger wohl vonnöten!
Was ist der hohe Ruhm und Jugend, Ehr' und Kunst?
Wenn diese Stunde kommt: wird alles Rauch und Dunst.
Und eine Not muß uns mit allem Vorsatz töten.
Es ist alles eitel
Du siehst, wohin du siehst nur Eitelkeit auf Erden.
Was dieser heute baut, reißt jener morgen ein;
Wo itzund Städte stehn, wird eine Wiesen sein,
Auf der ein Schäfers-Kind wird spielen mit den Herden;
Was itzund prächtig blüht, soll bald zertreten werden.
Was itzt so pocht und trotzt ist morgen Asch' und Bein,
Nichts ist, das ewig sei, kein Erz, kein Marmorstein.
Itzt lacht das Glück uns an, bald donnern die Beschwerden
Der hohen Taten Ruhm muß wie ein Traum vergehn.
Soll denn das Spiel der Zeit, der leichte Mensch bestehn?
Ach! Was ist alles dies, was wir vor köstlich achten,
Als schlechte Nichtigkeit, als Schatten, Staub und Wind;
Als eine Wiesen-Blum, die man nicht wieder find't.
Noch will was ewig ist kein einzig Mensch betrachten!
Abend
Der schnelle Tag ist hin, die Nacht schwingt ihre Fahn'
Und führt die Sternen auf. Der Menschen müde Scharen
Verlassen Feld und Werk; wo Tier und Vögel waren
Traurt itzt die Einsamkeit. Wie ist die Zeit vertan!
Der Port naht mehr und mehr sich zu der Glieder Kahn.
Gleich wie dies Licht verfiel, so wird in wenig Jahren
Ich, du und was man hat, und was man sieht hinfahren.
Dies Leben kömmt mir vor als eine Renne-Bahn.
Laß höchster Gott mich doch nicht auf dem Laufplatz gleiten,
laß mich nicht Ach, nicht Pracht, nicht Lust, nicht Angst verleiten!
Dein ewig-heller Glanz sei vor und neben mir,
Laß, wenn der müde Leib erschlafft, die Seele wachen.
Und wenn der letzte Tag wird mit mir Abend machen,
So reiß mich aus dem Tal der Finsternis zu dir.
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