An die Liebesgöttin
Mutter der Äneaden, du Wonne der Menschen und Götter,
Lebenspendende Venus, die waltest im Sternengeflimmer
Über das fruchtbare Land und die schiffedurchwimmelte Meerflut,
Du befruchtest die Keime zu jedem beseelten Geschöpfe,
Daß es zum Lichte sich ringt und geboren der Sonne sich freuet.
Wenn du nahest, o Göttin, dann fliehen die Winde, vom Himmel
Flieht das Gewölk, dir breitet die liebliche Bildnerin Erde
Duftende Blumen zum Teppich, dir lächelt entgegen die Meerflut,
Und ein friedlicher Schimmer verbreitet sich über den Himmel.
Denn sobald sich erschlossen des Frühlings strahlende Pforte
Und aus dem Kerker befreit der fruchtbare West sich erhoben,
Künden zuerst, o Göttin, dich an die Bewohner der Lüfte,
Und dein Nahen entzündet ihr Herz mit Zaubergewalten.
Jetzt durchstürmet das Vieh wildrasend die sprossenden Wiesen
Und durchschwimmt den geschwollenen Strom. Ja, jegliches folgt dir
Gierig, wohin du es lenkst, dein Liebreiz bändigt sie alle:
So erweckst du im Meer und Gebirg und im reißenden Flusse
Wie in der Vögel belaubtem Revier und auf grünenden Feldern
Zärtlichen Liebestrieb in dem Herzblut der Geschöpfe,
Daß sie begierig Geschlecht um Geschlecht sich mehren und mehren.
Also lenkst du, o Göttin, allein das Steuer des Weltalls.
Ohne dich dringt kein sterblich Geschöpf zu des Lichtes Gefilden,
Ohne dich kann nichts Frohes der Welt, nichts Liebes entstehen.
[aus dem Lateinischen von Heinrich Diehls]