François Villon
Geb. 1431, bei Paris; nach 1463 verschollen.
Der von vielen modernen Schriftstellern zum Ahnherr erkorene Vagant stammte aus einfachsten Verhältnissen, konnte aber durch einen Gönner ein Studium abschließen. Danach trieb er sich in Unterwelt und Wanderschaft herum, erlebte Verbannung, Todesurteil und Begnadigung; sein Lebensende liegt im Dunkeln.
Die Ballade vom guten und vom schlechten Lebenswandel
Seid was ihr wollt: Soldaten, Schuster, Opernsänger,
Produktenhändler oder auch nur Hundefänger,
ob ihr verlaust seid oder an der Börse spekuliert
mit Haifischflossen, Niggerschweiß und Kaffeebohnen,
ob sich die geraden oder mehr die krummen Wege lohnen;
nur wo ihr euer Geld verliert,
bei Weibern, Wein und Kartenspiel,
da wiegt ihr allesamt nicht viel.
Stopft euch den Bauch mit Kaviar und Pfauenzungen
und qualmt solange, bis aus den zerfressnen Lungen
die Schwindsucht grinsend in die Landschaft stiert,
seid Ballspiel-Meister, sammelt Autographen,
wählt Parlamente und euch selber zu den Oberschaften;
nur wo ihr euer Geld verliert,
bei Weibern, Wein und Kartenspiel,
da wiegt ihr allesamt nicht viel.
Von allem Übel kann euch nur der eigne Dalles retten,
denn wer nichts hat, sein Haupt darauf zu betten,
kein Haus und auch kein Rock, wenns im Winter friert;
der fühlt, wie schwer die armen Knochen wiegen,
wenn sie verfault bei Aas und Maden liegen,
und denkt: wer jetzt die Lust verliert,
der wog bei Weibern, Wein und Kartenspiel
nicht einen Pappenstiel.
[aus dem Französischen von Paul Zech]