Gesamtübersicht der Trakl-Seiten:

Alle literarischen Texte und Briefe
Kaleidoskope der Mehrdeutigkeit
Materialien zu Trakl
Mailnische

Georg Trakl:
Der dichterische Nachlass

(2. Teil)

zu


 
Web Literaturnische

Die Anordnung folgt der historisch-kritischen Ausgabe
von Walter Killy und Hans Szklenar.

Sammlung 1909 (im 1. Teil)
Gedichte 1909-12 (im 1. Teil)
Gedichte 1912-14
Doppelfassungen der zu Lebzeiten publizierten Gedichte
Gedichtkomplexe und Fragmente (im 3. Teil)
Dramenfragmente (im 3. Teil)
Aphorismen (zwei Texte) (im 3. Teil)

zur Übersicht der Gedichttitel des Nachlasses

 


 

Gedichte 1912-14

 


Ein Teppich, darein die leidende Landschaft verblaßt
Vielleicht Genezareth, im Sturm ein Nachen
Aus Wetterwolken stürzen goldene Sachen
Der Wahnsinn, der den sanften Menschen faßt.
Die alten Wasser gurgeln ein blaues Lachen.

Und manchmal öffnet sich ein dunkler Schacht.
Besessene spiegeln sich in kalten Metallen
Tropfen Blutes auf glühende Platten fallen
Und ein Antlitz zerfällt in schwarzer Nacht.
Fahnen, die in finstern Gewölben lallen.

Andres erinnert an der Vögel Flug
Über dem Galgen der Krähen mystische Zeichen
In spitzen Gräsern versinken kupferne Schleichen
In Weihrauchkissen ein Lächeln verhurt und klug.

Charfreitagskinder blind an Zäunen stehen
Im Spiegel dunkler volle Verwesung
Der Sterbenden hinseufzende Genesung
Und Engel die durch weiße Augen gehen
Von Lidern düstert goldene Erlösung.

 

Fassung: -
Im Lexikon:
Genezareth

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 


Rosiger Spiegel: ein häßliches Bild,
Das im schwarzen Rücken erscheint,
Blut aus brochenen Augen weint
Lästernd mit toten Schlangen spielt.

Schnee rinnt durch das starrende Hemd
Purpurn über das schwarze Gesicht,
Das in schwere Stücken zerbricht
Von Planeten, verstorben und fremd.

Spinne im schwarzen Rücken erscheint
Wollust, dein Antlitz verstorben und fremd.
Blut rinnt durch das starrende Hemd
Schnee aus brochenen Augen weint.

 

Fassung: -
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 


Dunkel ist das Lied des Frühlingsregens in der Nacht,
Unter den Wolken die Schauer rosiger Birnenblüten
Gaukelei des Herzens, Gesang und Wahnsinn der Nacht.
Feurige Engel, die aus verstorbenen Augen treten.

 

Fassung: -
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 


Gestalt die lange in Kühle finstern Steins gewohnt
Öffnet tönend den bleichen Mund
Runde Eulenaugen - Tönendes Gold.

Verfallen und leer fanden jene die Höhle des Walds
Den Schatten einer Hirschkuh im morschen Geäst
Am Saum der Quelle die Finsternis seiner Kindheit.

Lange singt ein Vogel am Waldsaum deinen Untergang
Die bangen Schauer deines braunen Mantels;
Erscheint der Schatten der Eule im morschen Geäst.

Lange singt ein Vogel am Waldsaum deinen Untergang
Die bangen Schauer deines blauen Mantels
Erscheint der Schatten der Mutter im spitzen Gras.

Lange singt ein Vogel am Waldsaum deinen Untergang
Die bangen Schauer deines schwarzen Mantels
Erscheint der Schatten des Rappens im Spiegel des Quells.

 

Fassung: -
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

[Delirien ]

[1 fehlt]

2

Dunkle Deutung des Wassers: Stirne im Mund der Nacht,
Seufzend in schwarzen Kissen des Menschen rosiger Schatten,
Röte des Herbstes, das Rauschen des Ahorns im alten Park,
Kammerkonzerte, die auf verfallenen Treppen verklingen.

3

Der schwarze Kot, der von den Dächern rinnt.
Ein roter Finger taucht in deine Stirne
In die Mansarde sinken blaue Firne,
Die Liebender erstorbene Spiegel sind.

 

Fassung: 2.
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

Delirium

Der schwarze Schnee, der von den Dächern rinnt;
Ein roter Finger taucht in deine Stirne
Ins kahle Zimmer sinken blaue Firne,
Die Liebender erstorbene Spiegel sind.
In schwere Stücke bricht das Haupt und sinnt
Den Schatten nach im Spiegel blauer Firne,
Dem kahlen Lächeln einer toten Dirne.
In Nelkendüften weint der Abendwind.

 

Fassung: -
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

Am Rand eines alten Wassers

Dunkle Deutung des Wassers: Stirne im Mund der Nacht,
Seufzend in schwarzen Kissen des Menschen rosiger Schatten,
Röte des Herbstes, das Rauschen des Ahorns im alten Park,
Kammerkonzerte, die auf verfallenen Treppen verklingen.

 

Fassung: 1.
Zur Zweitfassung Am Rand eines alten Brunnens’ im Nachlass.
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

Am Rand eines alten Brunnens

Dunkle Deutung des Wassers: Zerbrochene Stirne im Munde der Nacht,
Seufzend in schwarzen Kissen des Knaben bläulicher Schatten,
Das Rauschen des Ahorns, Schritte im alten Park,
Kammerkonzerte, die auf einer Wendeltreppe verklingen,
Vielleicht ein Mond, der leise die Stufen hinaufsteigt.
Die sanften Stimme der Nonnen in der verfallenen Kirche,
Ein blaues Tabernakel, das sich langsam auftut,
Sterne, die auf deine knöchernen Hände fallen,
Vielleicht ein Gang durch verlassene Zimmer,
Der blaue Ton der Flöte im Haselgebüsch - sehr leise.

 

Fassung: 2.
Zur Erstfassung 'Am Rand eines alten Wassers' im Nachlass.
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

An Mauern hin

Es geht ein alter Weg entlang
An wilden Gärten und einsamen Mauern.
Tausendjährige Eiben schauern
Im steigenden fallenden Windgesang.

Die Falter tanzen, als stürben sie bald,
Mein Blick trinkt weinend die Schatten und Lichter.
Ferne schweben Frauengesichter
Geisterhaft ins Blau gemalt.

Ein Lächeln zittert im Sonnenschein,
Indes ich langsam weiterschreite;
Unendliche Liebe gibt das Geleite.
Leise ergrünt das harte Gestein.

 

Fassung: -
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 


                 I

Ein Blasses, ruhend im Schatten verfallener Stiegen -
Jenes erhebt sich nachts in silberner Gestalt
Und wandelt unterm Kreuzgang hin.

In Kühle eines Baums und ohne Schmerz
Atmet das Vollkommene
Und bedarf der herbstlichen Sterne nicht -

Dornen, darüber jener fällt.
Seinem traurigen Fall
Sinnen lange Liebende nach.

 

Fassung: -
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 


Die Stille der Verstorbenen liebt den alten Garten
Die Irre die in blauen Zimmern gewohnt,
Am Abend erscheint die stille Gestalt am Fenster

Sie aber ließ den vergilbten Vorhang herab -
Das Rinnen der Glasperlen erinnerte an unsere Kindheit,
Nachts fanden wir einen schwarzen Mond im Wald

In eines Spiegels Bläue tönt die sanfte Sonate
Lange Umarmungen
Gleitet ihr Lächeln über des Sterbenden Mund.

 

Fassung: -
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 


Mit rosigen Stufen sinkt ins Moor der Stein
Gesang von Gleitendem und schwarzes Lachen
Gestalten gehn in Zimmern aus und ein
Und knöchern grinst der Tod in schwarzem Nachen.

Pirat auf dem Kanal im roten Wein
Dess’ Mast und Segel oft im Sturm zerbrachen.
Ertränkte stoßen purpurn aus Gestein
Der Brücken. Stählern klirrt der Ruf der Wachen.

Doch manchmal lauscht der Blick ins Kerzenlicht
Und folgt den Schatten an verfallnen Wänden
Und Tänzer sind mit schlafverschlungnen Händen.

Die Nacht, die schwarz an deinem Haupt zerbricht
Und Tote, die sich in den Betten wenden
Den Marmor greifen mit zerbrochnen Händen.

 

Fassung: -
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 


Die blaue Nacht ist sanft auf unsren Stirnen aufgegangen.
Leise berühren sich unsere verwesten Hände
Süße Braut!

Bleich ward unser Antlitz, mondene Perlen
Verschmolzen in grünem Weihergrund.
Versteinerte schauen wie unsre Sterne.

O Schmerzliches! Schuldige wandeln im Garten
In wilder Umarmung die Schatten,
Daß in gewaltigem Zorn Baum und Tier über sie sank.

Sanfte Harmonien, da wir in kristallnen Wogen
Fahren durch die stille Nacht
Ein rosiger Engel aus den Gräbern der Liebenden tritt.

 

Fassung: -
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 


O das Wohnen in der Stille des dämmernden Gartens,
Da die Augen der Schwester sich rund und dunkel im Bruder aufgetan,
Der Purpur ihrer zerbrochenen Münder
In der Kühle des Abends hinschmolz.
Herzzerreißende Stunde.

September reifte die goldene Birne. Süße von Weihrauch
Und die Georgine brennt am alten Zaun
Sag! wo waren wir, da wir auf schwarzem Kahn
Im Abend vorüberzogen,

Darüberzog der Kranich. Die frierenden Arme
Hielten Schwarzes umschlungen, und innen rann Blut.
Und feuchtes Blau um unsre Schläfen. Arm’ Kindlein.
Tief sinnt aus wissenden Augen ein dunkles Geschlecht.

 

Fassung: -
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

Am Abend

Ein blauer Bach, Pfad und Abend an verfallenen Hütten hin.
Hinter dunklen Gebüschen spielen Kinder mit blau und roten Kugeln;
Manche wechseln die Stirne und die Hände verwesen im braunen Laub.

In knöcherner Stille glänzt das Herz des Einsamen,
Schaukelt ein Kahn auf schwärzlichen Wassern.
Durch dunkles Gehölz flattert Haar und Lachen brauner Mägde.

Die Schatten der Alten kreuzen den Flug eines kleinen Vogels;
Geheimnis blauer Blumen auf ihren Schläfen.
Andere schwanken auf schwarzen Bänken im Abendwind.

Goldene Seufzer erlöschen leise in den kahlen Zweigen
Der Kastanie; ein Klang von dunklen Zymbeln des Sommers,
Wenn die Fremde auf der verfallenen Stiege erscheint.

 

Fassung: -
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

Gericht

Hütten der Kindheit im Herbste sind,
Verfallener Weiler; dunkle Gestalten,
Singende Mütter im Abendwind;
An Fenstern Angelus und Händefalten.

Tote Geburt; auf grünem Grund
Blauer Blumen Geheimnis und Stille.
Wahnsinn öffnet den purpurnen Mund:
Dies irae - Grab und Stille.

Tasten an grünen Dornen hin;
Im Schlaf: Blutspeien, Hunger und Lachen;
Feuer im Dorf, Erwachen im Grün;
Angst und Schaukeln auf gurgelndem Nachen.

Oder an hölzerner Stiege lehnt
Wieder der fremden weißer Schatten. -
Armer Sünder ins Blaue versehnt
Ließ seine Fäulnis Lilien und Ratten.

 

Im Lexikon:
Fassung: -
Im Lexikon:
Angelus - Dies irae

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

Schwesters Garten

Es wird schon kühl, es wird schon spat,
Es ist schon Herbst geworden
In Schwesters Garten, still und stad;
Ihr Schritt ist weiß geworden.
Ein Amselruf verirrt und spat,
Es ist schon Herbst geworden
In Schwesters Garten, still und stad;
Ein Engel ist geworden.

 

Fassung: 1.
Zur Zweitfassung im Nachlass.
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

Schwesters Garten

In Schwesters Garten still und stad
Ein Blau ein Rot von Blumen spat
Ihr Schritt ist weiß geworden.
Ein Amselruf verirrt und spat,
In Schwesters Garten still und stad;
Ein Engel ist geworden.

 

Fassung: 2.
Zur Erstfassung im Nachlass.
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 


Wind, weiße Stimme, die an des Schläfers Schläfe flüstert
In morschem Geäst hockt das Dunkle in seinem purpurnen Haar
Lange Abendglocke, versunken im Schlamm des Teichs
Und darüber neigen sich die gelben Blumen des Sommers.
Konzert von Hummeln und blauen Fliegen in Wildgras und Einsamkeit,
Wo mit rührenden Schritten ehdem Ophelia ging
Sanftes Gehaben des Wahnsinns. Ängstlich wogt das Grün im Rohr
Und die gelben Blätter der Wasserrosen, zerfällt ein Aas in heißen Nesseln
Erwachend umflattern den Schläfer kindliche Sonnenblumen.

Septemberabend, oder die dunklen Rufe der Hirten,
Geruch von Thymian. Glühendes Eisen sprüht in der Schmiede
Gewaltig bäumt sich ein schwarzes Pferd; die hyazinthene Locke der Magd
Hascht nach der Inbrunst seiner purpurnen Nüstern.
Zu gelber Mauer erstarrt der Schrei des Rebhuhns verrostet in faulender Jauche ein Pflug
Leise rinnt roter Wein, die sanfte Guitarre im Wirtshaus.
O Tod! Der kranken Seele verfallener Bogen Schweigen und Kindheit.

Aufflattern mit irren Gesichtern die Fledermäuse.

 

Fassung: 1.
Zur Zweitfassung im Nachlass.
Im Lexikon:
Ophelia

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 


Wind, weiße Stimme, die an des Trunknen Schläfe flüstert;
Verwester Pfad. Lange Abendglocken versanken im Schlamme des Teichs
Und darüber neigen sich die gelben Blumen des Herbstes, flackern mit irren Gesichtern
Die Fledermäuse.

Heimat! Abendrosiges Gebirg! Ruh! Reinheit!
Der Schrei des Geiers! Einsam dunkelt der Himmel,
Sinkt gewaltig das Haupt am Waldsaum hin.
Steigt aus finsteren Schluchten die Nacht.

Erwachend umflattern den Schläfer kindliche Sonnenblumen.

 

Fassung: 2.
Zur Erstfassung im Nachlass.
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 


So leise läuten
Am Abend die blauen Schatten
An der weißen Mauer.
Stille neigt sich das herbstliche Jahr.

Stunde unendlicher Schwermut,
Als erlitt’ ich den Tod um dich.
Es weht von Gestirnen
Ein schneeiger Wind durch dein Haar.

Dunkle Lieder
Singt dein purpurner Mund in mir,
Die schweigsame Hütte unserer Kindheit,
Vergessene Sagen;

Als wohnt’ ich ein sanftes Wild
In der kristallnen Woge
Des kühlen Quells
Und es blühten die Veilchen rings

 

Fassung: -
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 


Der Tau des Frühlings, der von dunklen Zweigen
Niederfällt, es kommt die Nacht
Mit Sternenstrahlen, da des Lichtes du vergessen.

Unter dem Dornenbogen lagst du und es grub der Stachel
Sich tief in den kristallenen Leib
Daß feuriger sich die Seele der Nacht vermähle.

Es hat mit Sternen sich die Braut geziert,
Die reine Myrthe
Die sich über des Toten anbetendes Antlitz neigt.

Blühender Schauer voll
Umfängt dich endlich der blaue Mantel der Herrin.

 

Fassung: -
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 


O die entlaubten Buchen und der schwärzliche Schnee.
Leise der Nord weht. Hier den braunen Pfad
Ist vor Monden ein Dunkles gegangen.

Allein im Herbst. Immer fallen die Flocken
In das kahle Geäst
Ins dürre Rohr; grünes Kristall singt im Weiher

Leer die Hütte von Stroh; ein Kindliches
Sind die wehenden Birken im Nachtwind.
O der Weg der leise ins Dunkel friert.
Und das Wohnen in rosigem Schnee

 

Fassung: -
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

An Novalis
(1. Fassung)

Ruhend in kristallner Erde, heiliger Fremdling,
Vom dunklen Munde nahm ein Gott ihm die Klage,
Da er in seiner Blüte hinsank
Friedlich erstarb ihm das Saitenspiel
In der Brust,
Und es streute der Frühling seine Palmen vor ihn,
Da er mit zögernden Schritten
Schweigend das nächtige Haus verließ.

 

[An Novalis]
(Fassung 2a)

In dunkler Erde ruht der heilige Fremdling.
Es nahm von sanftem Munde ihm die Klage der Gott,
Da er in seiner Blüte hinsank.
Eine blaue Blume
Fortlebt sein Lied im nächtlichen Haus der Schmerzen.

 

An Novalis
(Fassung 2b)

In dunkler Erde ruht der heilige Fremdling
In zarter Knospe
Wuchs dem Jüngling der göttliche Geist,
Das trunkene Saitenspiel
Und verstummte in rosiger Blüte.

 

Fassung: 1, 2a, 2b.
Im Lexikon:
Novalis

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

Stunde des Grams

Schwärzlich folgt im herbstlichen Garten der Schritt
Dem glänzenden Mond,
Sinkt an frierender Mauer die gewaltige Nacht.
O, die dornige Stunde des Grams.

Silbern flackert im dämmernden Zimmer der Leuchter des Einsamen,
Hinsterbend, da jener ein Dunkles denkt
Und das steinerne Haupt über Vergängliches neigt,

Trunken von Wein und nächtigem Wohllaut.
Immer folgt das Ohr
Der sanften Klage der Amsel im Haselgebüsch.

Dunkle Rosenkranzstunde. Wer bis du
Einsame Flöte,
Stirne, frierend über finstere Zeiten geneigt.

 

Im Lexikon:
Fassung: -
Im Lexikon:
Rosenkranz

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

[Nächtliche Klage]

Die Nacht ist über der zerwühlten Stirne aufgegangen
Mit schönen Sternen
Am Hügel, da du von Schmerz versteinert lagst,

Ein wildes Tier im Garten dein Herz fraß.
Ein feuriger Engel
Liegst du mit zerbrochener Brust auf steinigem Acker,

Oder ein nächtlicher Vogel im Wald
Unendliche Klage
Immer wiederholend in dornigem Nachtgezweig.

 

Fassung: 1.
Zur Zweitfassung im Nachlass.
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

Nächtliche Klage

Die Nacht ist über der zerwühlten Stirne aufgegangen
Mit schönen Sternen
Über dem schmerzversteinerten Antlitz,
Ein wildes Tier fraß des Liebenden Herz
Ein feuriger Engel
Stürzt mit zerbrochener Brust auf steinigen Acker,
Wiederaufflatternd ein Geier.
Weh in unendlicher Klage
Mischt sich Feuer, Erde und blauer Quell

 

Fassung: 2.
Zur Erstfassung im Nachlass.
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

An Johanna

Oft hör’ ich deine Schritte
Durch die Gasse läuten.
Im braunen Gärtchen
Die Bläue deines Schattens.

In der dämmernden Laube
Saß ich schweigend beim Wein.
Ein Tropfen Blutes
Sank von deiner Schläfe

In das singende Glas
Stunde unendlicher Schwermut.
Es weht von Gestirnen
Ein schneeiger Wind durch das Laub.

Jeglichen Tod erleidet,
Die Nacht der bleiche Mensch.
Dein purpurner Mund
Wohnt eine Wunde in mir.

Als käm’ ich von den grünen
Tannenhügeln und Sagen
Unserer Heimat,
Die wir lange vergaßen -

Wer sind wir? Blaue Klage
Eines moosigen Waldquells,
Wo die Veilchen
Heimlich im Frühling duften.

Ein friedliches Dorf im Sommer
Beschirmte die Kindheit einst
Unsres Geschlechts,
Hinsterbend nun am Abend-

Hügel die weißen Enkel
Träumen wir die Schrecken
Unseres nächtigen Blutes
Schatten in steinerner Stadt.

 

Fassung: -
Im Lexikon:
Johanna

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

Melancholie

Die blaue Seele hat sich stumm verschlossen,
Ins offne Fenster sinkt der braune Wald,
Die Stille dunkler Tiere; im Grunde mahlt
Die Mühle, am Steg ruhn Wolken hingegossen,

Die goldnen Fremdlinge. Ein Zug von Rossen
Sprengt rot ins Dorf. Der Garten braun und kalt.
Die Aster friert, am Zaun so zart gemalt
Der Sonnenblume Gold schon fast zerflossen.

Der Dirnen Stimmen; Tau ist ausgegossen
Ins harte Gras und Sterne weiß und kalt.
Im teuren Schatten sieh den Tod gemalt,
Voll Tränen jedes Antlitz und verschlossen.

 

Fassung: -
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

Bitte

Dem Geist schick' deine Flammen, so er duldet,
Gefangen seufzt in schwarzer Mitternacht,
Am Frühlingshügel, so sich dargebracht
Das sanfte Lamm, der Schmerzen tiefsten duldet;
O Liebe, die gleich einem runden Licht
Aufgeht im Herzen und ein Sanftes duldet,
Daß dieses irdene Gefäß zerbricht.

 

Fassung: 1.
Zur Zweitfassung und Endfassung ‘An Luzifer’.
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

Bitte

Dem Geist schick' deine Flammen, so er duldet,
Gefangen liegt in schwarzer Nacht,
Bis einst er fromm sich dargebracht
Der Welt, der er der Schmerzen tiefsten schuldet;
Die Liebe, die gleich einem Licht
Entbrennt im Herzen und ein Sanftes duldet,
Daß dies Gefäß der Tod zerbricht;
Gemordet Lamm, des Blut die Welt entschuldet.

 

Fassung: 2.
Zur Erstfassung und Endfassung ‘An Luzifer’.
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

An Luzifer

Dem Geist leih deine Flamme, glühende Schwermut;
Seufzend ragt das Haupt in die Mitternacht,
Am grünenden Frühlingshügel; wo vor Zeiten
Verblutet ein sanftes Lamm, der Schmerzen tiefsten
Erduldet; aber es folgt der Dunkle dem Schatten
Des Bösen, oder er hebt die feuchten Schwingen
Zur goldenen Scheibe der Sonne und es erschüttert
Ein Glockenton die schmerzzerrissene Brust ihm,
Wilde Hoffnung; die Finsternis flammenden Sturzes.

 

Fassung: 3.
Zu den Vorfassungen 'Bitte' 1 und 2.
Im Lexikon:
Luzifer

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 


Nimm blauer Abend eines Schläfe, leise ein Schlummerndes
Unter herbstlichen Bäumen, unter goldener Wolke.
Anschaut der Wald; als wohnte der Knabe ein blaues Wild
In der kristallnen Woge des kühlen Quells
So leise schlägt sein Herz in hyazinthener Dämmerung,
Trauert der Schatten der Schwester, ihr purpurnes Haar;
Dieses flackert im Nachtwind. Versunkene Pfade
Nachtwandelt jener und es träumt sein roter Mund
Unter verwesenden Bäumen; schweigend umfängt
Des Weihers Kühle den Schläfer, gleitet
Der verfallene Mond über seine schwärzlichen Augen.
Sterne versinkend im braunen Eichengeäst.

 

Fassung: -
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

[Am Abend]

Noch ist gelb das Gras, grau und schwarz der Baum
Aber mit ergrünendem Schritt gehst du am Wald hin,
Knabe, der mit großen Augen in die Sonne schaut.
O wie schön sind die entzückten Schrei der Vögelchen.

Der Fluß kommt von den Bergen kalt und klar
Tönt im grünen Versteck; also tönt es,
Wenn du trunken die Beine bewegst. Wilder Spaziergang

Im Blau; Geist der aus Bäumen tritt und bittrem Kraut
Siehe deine Gestalt. O Rasendes! Liebe neigt sich zu Weiblichem,
Bläulichen Wassern. Ruh und Reinheit!

Knospe viel bewahrt, Grünes! Die schon sehr dunkel
Entsühne die Stirn mit dem feuchten Abendzweig,
Schritt und Schwermut tönt einträchtig in purpurner Sonne.

 

Fassung: 1.
Zur Zweitfassung im Nachlass.
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

Am Abend

Noch ist gelb das Gras, grau und schwarz der Wald;
Aber am Abend dämmert ein Grün auf.
Der Fluß kommt von den Bergen kalt und klar,
Tönt im Felsenversteck; also tönt es,
Wenn du trunken die Beine bewegst; wilder Spaziergang
Im Blau; und die entzückten Schreie der Vögelchen.
Die schon sehr dunkel, tiefer neigt
Die Stirne sich über bläuliche Wasser, Weibliches;
Untergehend wieder in grünem Abendgezweig.
Schritt und Schwermut tönt einträchtig in purpurner Sonne.

 

Fassung: 2.
Zur Erstfassung im Nachlass.
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

Beim jungen Wein

Sonne purpurn untergeht,
Schwalbe ist schon ferngezogen.
Unter abendlichen Bogen
Junger Wein die Runde geht;
Kind dein wildes Lachen.

Schmerz, darin die Welt vergeht.
Bleib der Augenblick gewogen,
Da im Abend hölzner Bogen
Junger Wein die Runde geht;
Kind dein wildes Lachen.

Flackerstern ans Fenster weht,
Kommt die schwarze Nacht gezogen,
Wenn im Schatten dunkler Bogen
Junger Wein die Runde geht;
Kind dein wildes Lachen.

 

Fassung: 1.
Zur Zweitfassung im Nachlass.
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

Beim jungen Wein

Sonne purpurn untergeht,
Schwalbe ist schon ferngezogen.
Unter abendlichen Bogen
Junger Wein die Runde geht;
Schnee fällt hinterm Berge.

Sommers letztes Grün verweht,
Jäger kommt vom Wald gezogen.
Unter abendlichen Bogen
Junger Wein die Runde geht;
Schnee fällt hinterm Berge.

Fledermaus die Stirn umweht,
Kommt ein Fremdling still gezogen.
Unter abendlichen Bogen
Junger Wein die Runde geht;
Schnee fällt hinterm Berge.

 

Fassung: 2.
Zur Erstfassung im Nachlass.
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 


Rote Gesichter verschlang die Nacht,
An härener Mauer
Tastet ein kindlich Gerippe im Schatten
Des Trunkenen, zerbrochenes Lachen
Im Wein, glühende Schwermut,
Geistesfolter - ein Stein verstummt
Die blaue Stimme des Engels
Im Ohr des Schläfers. Verfallenes Licht.

 

Fassung: -
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

Heimkehr

Wenn goldne Ruh der Abend odmet
Wald und dunkle Wiese davor
Ein Schauendes ist der Mensch,
Ein Hirt, wohnend in der Herden dämmernder Stille,
Der Geduld der roten Buchen;
So klar da es Herbst geworden. Am Hügel
Lauscht der Einsame dem Flug der Vögel,
Dunkler Bedeutung und die Schatten der Toten
Haben sich ernster um ihn versammelt;
Mit Schauern erfüllt ihn kühler Resedenduft,
Die Hütten der Dörfler der Hollunder,
Wo vor Zeiten das Kind gewohnt.

Erinnerung, begrabene Hoffnung
Bewahrt dies braune Gebälk,
Darüber Georginen hangen
Daß darnach er die Hände ringe,
Im braunen Gärtchen den schimmernden Schritt
Verboten Lieben, dunkles Jahr,
Daß von blauen Lidern die Tränen stürzten
Dem Fremdling unaufhaltsam.

Von braunen Wipfeln tropft der Tau,
Da jener ein blaues Wild am Hügel erwacht,
Lauschend den lauten Rufen der Fischer
Am Abendweiher
Dem ungestalten Schrei der Fledermäuse;
Aber in goldener Stille
Wohnt das trunkene Herz
Seines erhabenen Todes voll.

 

Fassung: -
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

Träumerei

Sanftes Leben wächst im Stillen
Schritt und Herz durchs Grüne eilt
Liebendes an Hecken weilt,
Die sich schwer mit Düften füllen.

Buche sinnt; die feuchten Glocken
Sind verstummt, der Bursche singt
Feuer Dunkeles umschlingt
O Geduld und stumm Frohlocken.

Frohen Mut gib noch zum Ende
Schön beseelte, stille Nacht,
Goldnen Wein, den dargebracht
Einer Schwester blaue Hände.

 

Fassung: 1.
Zu den Fassungen 2 und 3 im Nachlass.
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

Träumerei

Sanftes Leben wächst rings im Stillen
Durchs Grüne eilt Schritt und Herz.
Liebendes weilt an Hecken,
Die sich mit Düften füllen.

Tiefsinnige Buche im Wirtshausgarten. Die feuchten Glocken
Sind verstummt; ein Bursche singt
- Feuer das Dunkles sucht -
O blaue Stille, Geduld!

Frohen Mut auch gib
Grünende Nacht dem Einsamen,
Dem sein Stern erlosch,
Lachen in purpurnem Wein.

 

Fassung: 2.
Zu den Fassungen 1 und 3 im Nachlass.
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

Träumerei

Verliebte gehn an Hecken,
Die sich mit Düften füllen.
Am Abend kommen frohe Gäste
Von der dämmernden Straße.

Sinnige Kastanie im Wirtshausgarten.
Die feuchten Glocken sind verstummt.
Ein Bursche singt am Fluß
- Feuer, das Dunkeles sucht -

O blaue Stille! Geduld!
Wenn jegliches blüht.

Sanften Mut auch gib
Nacht dem Heimatlosen,
Unergründliches Dunkel
Goldne Stunde im Wein.

 

Fassung: 3.
Zu den Fassungen 1 und 2 im Nachlass.
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

Psalm

Stille; als sänken Blinde an herbstlicher Mauer hin,
Lauschend mit morschen Schläfen dem Flug des Raben;
Goldne Stille des Herbstes, das Antlitz des Vaters in flackernder Sonne
Am Abend verfällt im Frieden brauner Eichen das alte Dorf,
Das rote Gehämmer der Schmiede, ein pochendes Herz.
Stille; in langsamen Händen verbirgt die hyazinthene Stirne die Magd
Unter flatternden Sonnenblumen. Angst und Schweigen
Brechender Augen erfüllt das dämmernde Zimmer, die zögernden Schritte
Der alten Frauen, die Flucht des purpurnen Munds, der langsam im Dunkel erlischt.

Schweigsamer Abend in Wein. Vom niedern Dachgebälk
Fiel ein nächtlicher Falter, Nymphe vergraben in bläulichen Schlaf.
Im Hof schlachtet der Knecht ein Lamm, der süße Geruch des Blutes
Umwölkt unsre Stirnen, die dunkle Kühle des Brunnens.
Nachtrauert die Schwermut sterbender Astern, goldne Stimmen im Wind.
Wenn es Nacht wird siehst du mich aus vermoderten Augen an,
In blauer Stille verfielen deine Wangen zu Staub.
So leise erlöscht ein Unkrautbrand, verstummt der schwarze Weiler im Grund
Als stiege das Kreuz den blauen Kalvarienhügel herab,
Würfe die schweigende Erde ihre Toten aus.

 

Fassung: -
Im Lexikon:
Psalm - Nymphe - Kalvarienhügel

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

[Herbstliche Heimkehr]

Erinnerung, begrabene Hoffnung
Bewahrt dies braune Gebälk,
Darüber Georginen hangen
Immer stillere Heimkehr,
Der verfallne Garten den dunklen Abglanz
Vergangener Jahre,
Daß von blauen Lidern die Tränen stürzen
Dem Fremdling unaufhaltsam.

 

Fassung: 1b.
Zu den Fassungen 1a, 2 und 3 im Nachlass.
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

Herbstliche Heimkehr

Erinnerung, begrabene Hoffnung
Bewahrt dies braune Gebälk
Darüber Georginen hangen,
Immer stillere Heimkehr,
Der verfallne Garten dunklen Abglanz
Vergangner Jahre,
Daß von blauen Lidern Tränen stürzen
Unaufhaltsam.
O Geliebtes!
Schon tropft vom rostigen Ahorn
Laub, hinüberschimmern der Schwermut
Kristallne Minuten
Zur Nacht.

 

Fassung: 2.
Zu den Fassungen 1a, 1b und 3 im Nachlass.
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

Herbstliche Heimkehr

Erinnerung, begrabene Hoffnung
Bewahrt dies braune Gebälk
Darüber Georginen hangen,
Immer stillere Heimkehr,
Der verfallne Garten dunklen Abglanz
Kindlicher Jahre,
Daß von blauen Lidern Tränen stürzen
Unaufhaltsam;
Hinüberschimmern der Schwermut
Kristallne Minuten
Zur Nacht.

 

Fassung: 3.
Zu den Fassungen 1a, 1b und 2 im Nachlass.
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

[Neige]

O geistlich Wiedersehn
Im alten Herbst!
So stille entblättern gelbe Rosen
Am Gartenzaun,
Schmolz in Tränen
Ein großer Schmerz.
So endet der goldne Tag.
Reich’ deine Hand mir liebe Schwester
In der Abendkühle.

 

Fassung: 1.
Zur Zweitfassung im Nachlass.
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

Neige

O geistlich Wiedersehn
In altem Herbst.
Gelbe Rosen
Entblättern am Gartenzaun,
Zu dunkler Träne
Schmolz ein großer Schmerz,
O Schwester!
So stille endet der goldne Tag.

 

Fassung: -
Zur Erstfassung im Nachlass.
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

Lebensalter

Geistiger leuchten die wilden
Rosen am Gartenzaun;
O stille Seele!

Im kühlen Weinlaub weidet
Die kristallne Sonne;
O heilige Reinheit!

Es reicht ein Greis mit edlen
Händen gereifte Früchte.
O Blick der Liebe!

 

Fassung: -
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

Die Sonnenblumen

Ihr goldenen Sonnenblumen,
Innig zum Sterben geneigt,
Ihr demutsvollen Schwestern
In solcher Stille
Endet Helians Jahr
Gebirgiger Kühle.

Da erbleicht von Küssen
Die trunkne Stirne ihm
Inmitten jener goldenen
Blumen der Schwermut
Bestimmt den Geist
Die schweigende Finsternis.

 

Fassung: -
Im Lexikon:
Helian

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 


So ernst o Sommerdämmerung.
Von müdem Munde
Sank dein goldner Odem ins Tal
Zu den Stätten der Hirten,
Versinkt im Laub.
Ein Geier hebt am Waldsaum
Das versteinerte Haupt -
Ein Adlerblick
Erstrahlt im grauen Gewölk
Der Nacht.

Wild erglühen
Die roten Rosen am Zaun
Erglühend stirbt
In grüner Woge Liebendes hin
Eine erblichene Rose

 

Fassung: -
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 


 

Doppelfassungen
der zu Lebzeiten publizierten Gedichte

 

Farbiger Herbst

Ein Brunnen singt. Die Wolken stehn
Im klaren Blau die weißen zarten.
Bedächtig stille Menschen gehn
Am Abend durch den alten Garten.

Der Ahnen Marmor ist ergraut
Ein Vogelzug streift in die Weiten.
Ein Faun mit toten Augen schaut
Nach Schatten, die ins Dunkel gleiten.

Das Laub fällt rot vom alten Baum
Und kreist herein durchs offene Fenster.
Ein Feuerschein glüht auf im Raum
Und malet trübe Angstgespenster.

Opaliger Dunst webt über das Gras
Ein Teppich von verwelkten Düften.
Im Brunnen schimmert wie grünes Glas
Die Mondessichel in frierenden Lüften.

 

Fassung: 2.
Zur Erstfassung im Nachlass; zur Endfassung 'Musik in Mirabell’ in 'Gedichte'.
Im Lexikon:
Faun

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

Traum des Bösen

O diese kalkgetünchten, kahlen Gänge;
Ein alter Platz; die Sonn’ in schwarzen Trümmern.
Gebein und Schatten durch ein Durchhaus schimmern
Im Hafen blinken Segel, Masten, Stränge.

Ein Mönch, ein schwangres Weib dort im Gedränge.
Guitarren klimpern; Flucht aus leeren Zimmern.
Kastanien schwül in goldnem Glanz verkümmern;
Schwarz ragt der Kirchen trauriges Gepränge.

Aus bleichen Masken schaut der Geist des Bösen.
Paläste dämmern grauenvoll und düster;
Am Abend regt auf Inseln sich Geflüster.

Des Vogelfluges wirre Zeichen lesen
Aussätzige, die zur Nacht vielleicht verwesen.
Im Park erblicken zitternd sich Geschwister.

 

Fassung: 2.
Zur Erstfassung in ‘Gedichte’ und 3. Fassung im Nachlass.
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

Traum des Bösen

Verhallend eines Sterbeglöckchens Klänge -
Ein Liebender erwacht in schwarzen Zimmern,
Die Wang’ an Sternen, die am Fenster flimmern.
Am Strome blitzen Segel, Masten, Stränge.

Ein Mönch, ein schwangres Weib dort im Gedränge.
Guitarren klimpern, rote Kittel schimmern.
Kastanien schwül in goldnem Glanz verkümmern;
Schwarz ragt der Kirchen trauriges Gepränge.

Aus bleichen Masken schaut der Geist des Bösen.
Ein Platz verdämmert grauenvoll und düster;
Am Abend regt auf Inseln sich Geflüster.

Des Vogelfluges wirre Zeichen lesen
Aussätzige, die zur Nacht vielleicht verwesen.
Im Park erblicken zitternd sich Geschwister.

 

Fassung: 3.
Zur Erstfassung in ‘Gedichte' und 2. Fassung im Nachlass.
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

Leise

Im Stoppelfeld ein schwarzer Wind gewittert.
Aufblühn der Traurigkeit Violenfarben,
Gedankenkreis, der trüb das Hirn umwittert.
Am Zaune lehnen Astern, die verstarben
Und Sonnenblumen schwärzlich und verwittert,
Gelöst in Schminken und Zyanenfarben.
Ein wunderlicher Glockenklang durchzittert
Reseden, die in schwarzem Flor verstarben
Und unsere Stirnen schattenhaft vergittert
Versinken leise in Zyanenfarben
Mit Sonnenblumen schwärzlich und verwittert
Und braunen Astern, die am Zaun verstarben.

 

Fassung: 1.
Zur Zweitfassung 'Melancholia' im Nachlass und Endfassung ‘Melancholie’ in ‘Gedichte’.
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

Melancholia

Bläuliche Schatten. O ihr dunklen Augen
Die lang mich anschaun im Vorübergleiten.
Guitarrenklänge sanft den Herbst begleiten
Im Garten aufgelöst in braunen Laugen.
Des Todes ernste Düsternis bereiten
Nymphische Hände, an Purpurbrüsten saugen
Verfallne Lippen und in braunen Laugen
Des Sonnenjünglings feuchte Locken gleiten.

Ein Stoppelfeld. Ein schwarzer Wind gewittert.
Aufblühn der Traurigkeit Violenfarben,
Gedankenkreis, der trüb das Hirn umwittert.
An Zäunen lehnen Astern, die verstarben
Und Sonnenblumen schwärzlich und verwittert;
Da schweigt die Seele grauenvoll erschüttert
Entlang an Zimmern, leer und dunkelfarben.

 

Im Lexikon:
Fassung: 2.
Zur Erstfassung Leise im Nachlass und Endfassung Melancholie' in ‘Gedichte'.
Im Lexikon:
Nymphe

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

[Verwandlung]

Des Herbstes Kühle: Ein Zimmer grau verhängt.
Hier zeigt sich Heiterkeit, ein tüchtig Leben
Des Menschen Hände tragen goldne Reben
In sanfte Augen Gott sich stille senkt.

Am Abend wandelt jener über Land.
Den Weg erfüllt der Eichen braunes Schweigen
Und immer sinken Blätter von den Zweigen
Die Seele friert im schwärzlichen Gewand.

Geruhiges vor einer Schenke spielt
Vom Munde ist die Bitternis gesunken
Holunderfrüchte, Klänge, weich und trunken
Dem Einsamen folgt leise nach ein Wild.

 

Fassung: 1.
Zur Endfassung in 'Gedichte'.
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

Heiterer Frühling

Wenn neu ergrünt der Bach in Abend fließt,
In Rohr und Weide rauscht das Frühlingsjahr;
Die blaue Luft ist wunderbar
Von Blühendem, das sich zur Nacht ergießt.

An stillen Dämmerhecken läuft der Wind
Und sucht des Einsamen gestirnten Pfad.
In Gottes Schoß erglänzt die junge Saat,
Der Wald mit seinen Tieren weich und lind.

Die Birken dort, der schwarze Dornenstrauch
Stehn sanft in Schmerz und Wollust aufgelöst.
Hell Grünes blüht, ein dunkles Grün verwest
Und Kröten schliefen durch den jungen Lauch.

Dich lieb’ ich treu, du derbe Wäscherin.
Noch trägt die Flut des Himmels rosige Last.
Ein Fischlein blitzt vorüber und verblaßt;
Der Wind läuft silbern durch die Erlen hin,

Entlang an Dämmerhecken schwer und leis’;
Ein kleiner Vogel trällert wie verrückt.
Das junge Korn schwillt leise und verzückt
Und Bienen sammeln noch mit ernstem Fleiß.

Komm Liebe nun zum müden Arbeitsmann;
In seine Hütte fällt ein lauer Strahl.
Der Wald strömt durch das Dunkel herb und fahl
Und Knospen flüstern heiter dann und wann.

Wie scheint doch alles Werdende so krank!
Ein Fieberhauch um einen Weiler kreist;
Doch aus Gezweigen winkt ein sanfter Geist
Und öffnet das Gemüte weit und bang.

Ein blühender Erguß verrinnt sehr sacht
Und Ungebornes pflegt der eignen Ruh.
Die Liebenden blühn ihren Sternen zu
Und süßer fließt ihr Odem durch die Nacht.

So schmerzlich gut und wahrhaft ist, was lebt;
Und leise rührt dich an ein alter Stein:
Wahrlich! Ich werde immer bei euch sein.
O Mund! der durch die Silberweide bebt.

 

Fassung: 1.
Zur Endfassung in 'Gedichte'.
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

[Trübsinn]

In Schenken träumend oft am Nachmittag,
In Gärten früh vom Herbst verbrannt und wüst
Der trunkene Tod geht stumm vorbei und grüßt
In dunklem Käfig tönt ein Drosselschlag.

Aus solcher Bläue tritt ein rosig Kind
Und spielt mit seinen Augen schwarz und glatt.
Ein Goldnes tropft aus Zweigen mild und matt
In rotem Laubwerk aber spielt der Wind.

Schon glänzt Saturn. Im Dunkel rauscht der Bach
Und leise rührt des Freundes blaue Hand
Und glättet stille Stirne und Gewand.
Ein Licht ruft Schatten in Hollunder wach.

 

Fassung: 2.
Zur Erstfassung in 'Gedichte'.
Im Lexikon:
Saturn

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

Psalm

Es ist ein Licht, das der Wind ausgelöscht hat.
Es ist ein Heidekrug, den am Nachmittag ein Betrunkener verläßt.
Es ist ein Weinberg verbrannt und schwarz mit Löchern voll Spinnen.
Es ist ein Raum, den sie mit Milch getüncht haben.
Der Wahnsinnige ist gestorben. Es ist eine Insel der Südsee,
Den Sonnengott zu empfangen. Man rührt die Trommeln.
Die Männer führen kriegerische Tänze auf.
Die Frauen wiegen die Hüften in Schlinggewächsen und Feuerblumen,
Wenn das Meer singt. O! unser verlorenes Paradies.

Die Nymphen haben die goldenen Wälder verlassen.
Man begräbt den Fremden; dann hebt ein Flimmerregen an.
Der Sohn des Pan erscheint in Gestalt eines Erdarbeiters,
Der den Mittag am glühenden Asphalt verschläft.
Es sind kleine Mädchen in einem Hof mit Kleidchen voll herzzerreißender Armut.
Es sind Zimmer erfüllt von Akkorden und Sonaten.
Es sind Schatten, die sich vor einem erblindeten Spiegel umarmen.
An den Fenstern des Spitals wärmen sich Genesende.
Ein weißer Dampfer am Kanal trägt blutige Seuchen herauf.

Die fremde Schwester erscheint in Jemands bösen Träumen.
Ruhend im Haselgebüsch spielt sie mit seinen Sternen.
Der Student, vielleicht ein Doppelgänger schaut ihr lange vom Fenster nach.
Hinter ihm steht sein toter Bruder. Im Dunkel des Zimmers mögen seltsame Dinge vor sich gehen.
In roten Hyazinthen verblaßt die Erscheinung der jungen Krankenwärterin.
Der Garten ist im Abend. Im Kreuzgang flattern die Fledermäuse umher.
Die Kinder des Hausmeisters hören zu spielen auf und suchen das Gold des Himmels.
Es ist eine Wolke die sich auflöst. In der Laube hat sich der Gärtner erhängt.
Im Glashaus verschwimmen braune und blaue Farben. Es ist der Untergang, dem wir zutreiben.

Wo die Toten von gestern lagen, trauern Engel mit weißen zerbrochenen Flügeln.
Unter Eichen irren Dämonen mit brennenden Stirnen.
Im Moorland schweigen vergangene Vegetationen.
Es ist ein Flüsterwind - Gott der traurige Stätten verläßt.
Die Kirchen sind verstorben, Würmer nisten sich in den Nischen ein.
Der Sommer hat das Korn verbrannt. Die Hirten sind fortgezogen.
Wo immer man geht rührt man ein früheres Leben.
Die Mühlen und Bäume gehen leer im Abendwind.
In der zerstörten Stadt richtet die Nacht schwarze Zelte auf.

Wie eitel ist alles!

 

Fassung: -
Zur Endfassung in 'Gedichte'.
Im Lexikon:
Psalm - Nymphe - Pan

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

[Nähe des Todes]

Lange lauscht der Mönch dem sterbenden Vogel am Waldsaum
O die Nähe des Todes, die beinerne Stätte am Hügel
Der Angstschweiß der auf die wächserne Stirn tritt.
Der weiße Schatten des Bruders, der den Hohlweg herabläuft.

Der Abend ist in die dunklen Dörfer der Kindheit gegangen
Der Weiher unter den Weiden
Füllt sich mit den roten Gulden trauriger Herbste.

O die dicken Ratten im Stroh!
Der Blinde, der abends wieder am Weg steht
Die Stille grauer Wolken ist auf den Acker gesunken.

Spinnen verhangen die weißen Höhlen der Schwermut
Da aus des Einsamen knöchernen Händen
Der Purpur seiner nächtlichen Tage hinsinkt -
Leise des Bruders mondene Augen.

O schon lösen in kühleren Küssen
Vergilbt von Weihrauch sich der Liebenden schmächtige Glieder.

 

Fassung: 1.
Zur Endfassung in 'Gedichte'.
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

Im Spital

Die Uhr, die tief im Grünen zwölfe schlägt -
Die Fieberkranken packt ein helles Grausen.
Der Himmel glitzert und die Gärten brausen.
Ein wächsern Antlitz sich am Fenster regt.

Vielleicht, daß diese Stunde stille steht.
Vor trüben Augen bunte Bilder gaukeln
Im Takt der Schiffe, die im Strome schaukeln.
Am Gang ein Schwesternzug vorüberweht.

Und Wolken regen sich im blauen Wind,
Wie Liebende die sich im Schlaf umschlingen.
Vielleicht, daß um ein Aas dort Fliegen schwingen,
Vielleicht auch weint im Mutterschoß ein Kind.

Am Fenster welken Blumen warm und rot,
Die man dem schönen Knaben heute brachte.
Wie er die Hände hob und leise lachte.
Man betet dort. Vielleicht liegt einer tot.

Es scheint, man hört auch gräßliches Geschrei
Und sieht in schwülem Brodem Fratzen flimmern.
Klavierspiel tönt gedämpft aus hellen Zimmern.
Die Uhr im tiefen Grün schlägt plötzlich drei.

Ein schwarzer Zug schwebt wieder dort davon.
Dann hört man ferne noch Choräle klingen.
Vielleicht, daß auch im Saale Engel singen.
Im Garten flattert traumhaft weißer Mohn.

 

Fassung: 1.
2. Fassung ‘Menschliches Elend’ in ‘Gedichte’; Drittfassung 'Menschliche Trauer' im Nachlass.
Im Lexikon:
Choral

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

Menschliche Trauer

Die Uhr, die vor der Sonne fünfe schlägt -
Einsame Menschen packt ein dunkles Grausen.
Im Abendgarten morsche Bäume sausen;
Des Toten Antlitz sich am Fenster regt.

Vielleicht daß diese Stunde stillesteht.
Vor trüben Augen nächtige Bilder gaukeln
Im Takt der Schiffe, die am Flusse schaukeln;
Am Kai ein Schwesternzug vorüberweht.

Es scheint, man hört der Fledermäuse Schrei,
Im Garten einen Sarg zusammenzimmern.
Gebeine durch verfallne Mauern schimmern
Und schwärzlich schwankt ein Irrer dort vorbei.

Ein blauer Strahl im Herbstgewölk erfriert.
Die Liebenden im Schlafe sich umschlingen,
Gelehnet an der Engel Sternenschwingen,
Des Edlen bleiche Schläfe Lorbeer ziert.

 

Fassung: 3.
Zur Erstfassung 'Im Spital' im Nachlass und der Zweitfassung 'Menschliches Elend' in 'Gedichte' .
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

[Landschaft]

Septemberabend, oder die dunklen Rufe der Hirten,
Geruch von Thymian. Glühendes Eisen sprüht in der Schmiede
Gewaltig bäumt sich ein schwarzes Pferd; die hyazinthene Locke der Magd
Hascht nach der Inbrunst seiner purpurnen Nüstern.
Zu gelber Mauer erstarrt der Schrei des Rebhuhns verrostet in faulender Jauche ein Pflug
Leise rinnt roter Wein, die sanfte Guitarre im Wirtshaus.
O Tod! Der kranken Seele verfallener Bogen Schweigen und Kindheit.

Aufflattern mit irren Gesichtern die Fledermäuse

 

Fassung: 1.
Zur Endfassung in 'Sebastian im Traum'.
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

Elis

Vollkommen ist die Stille dieses goldenen Tags.
Unter alten Eichen
Erscheinst du, Elis, ein Ruhender mit runden Augen.

Ihre Bläue spiegelt den Schlummer der Liebenden.
An deinem Mund
Verstummten ihre rosigen Seufzer.

Am Abend zog der Fischer die leeren Netze ein.
Ein guter Hirt
Führt seine Herde am Waldsaum hin.
O wie gerecht sind, Elis, alle deine Tage.

Ein heiterer Sinn
Wohnt in der Winzer dunklem Gesang,
Der blauen Stille des Ölbaums.
Bereitet fanden im Haus die Hungernden Brot und Wein.

 

Fassung: 1.
Zur Zweitfassung im Nachlass und Endfassung in 'Sebastian im Traum'.
Im Lexikon:
Elis

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

Elis

1

Elis, wenn die Amsel im schwarzen Wald ruft,
Dieses ist dein Untergang.
Deine Lippen trinken die Kühle des blauen Felsenquells.

Laß wenn deine Stirne leise blutet,
Uralte Legenden
Und dunkle Deutung des Vogelflugs.

Du aber gehst mit weichen Schritten in die Nacht,
Die voll purpurner Trauben hängt
Und du regst die Arme schöner im Blau.

Ein Dornenbusch tönt,
Wo deine mondenen Augen sind.
O! wie lange bist Elis du verstorben.

Dein Leib ist eine Hyazinthe,
In die ein Mönch die wächsernen Finger taucht.
Eine schwarze Höhle ist unser Schweigen;

Daraus bisweilen ein sanftes Tier tritt
Und langsam die schweren Lider sinkt;
Auf deine Schläfen tropft schwarzer Tau,

Das letzte Gold verfallener Sterne.

2

Vollkommen ist die Stille dieses goldenen Tags.
Unter alten Eichen
Erscheinst du, Elis, ein Ruhender mit runden Augen.

Die Bläue spiegelt den Schlummer der Liebenden.
An deinem Mund
Verstummten ihre rosigen Seufzer.

Am Abend zog der Fischer die schweren Netze ein.
Ein guter Hirt
Führt seine Herde am Waldsaum hin.
O! wie gerecht sind, Elis, alle deine Tage.

Ein heiterer Sinn
Wohnt in der Winzer dunklem Gesang,
Der blauen Stille des Ölbaums.

Bereitet fanden im Haus die Hungernden Brot und Wein.

3

Ein sanftes Glockenspiel tönt in Elis’ Brust
Am Abend
Da sein Haupt ins schwarze Kissen sinkt.

Ein blaues Wild
Blutet leise im Dornengestrüpp.

Ein brauner Baum steht einsam da;
Seine blauen Früchte fielen von ihm.

Zeichen und Sterne
Versinken leise im Abendweiher.

Hinter dem Hügel ist es Winter geworden.

Blaue Tauben
Trinken nachts den goldenen Schweiß,
Der von Elis’ kristallener Stirne rinnt.

Immer tönt
An schwarzen Mauern Gottes eisiger Odem.

 

Fassung: 2.
Zur Erstfassung im Nachlass und der Endfassung in 'Sebastian im Traum'.
Im Lexikon:
Elis

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

[Hohenburg]

Leer und erstorben des Vaters Haus,
Dunkle Stunde
Und Erwachen im dämmernden Garten.

Immer denkst du das weiße Antlitz des Menschen,
Fern dem Getümmel der Zeit.
Über ein Träumendes neigt sich gerne grünes Gezweig;

Kreuz und Abend,
Umfängt den Tönenden mit purpurnen Armen sein Stern
Und das Läuten bläulicher Blumen.

 

Fassung: 1.
Zur Endfassung in 'Sebastian im Traum'.
Im Lexikon:
Hohenburg

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

Dezember

Der Mantel im schwarzen Wind; leise flüstert das dürre Rohr
In der Stille des Moors. Am grauen Himmel
Folgt ein Zug von wilden Vögeln -
Quere über finsteren Wassern.

Durch kahle Birken gleiten die knöchernen Hände.
Knickt der Schritt in braunes Gehölz
Wo zu sterben ein einsames Tier wohnt.

Alte Weiblein kreuzten den Weg
Ins Dorf. Spinnen fielen aus ihren Augen
Und roter Schnee. Krähen und langes Glockengeläut

Geleitet den schwarzen Pfad, Endymions Lächeln
Und mondener Schlummer
Und die metallene Stirne tastet frierend durchs Haselgebüsch

Laß in der Schenke den Abend erwarten
Wohnen in purpurner Höhle des Weins,
Von der Tapete lautlos der trunkene Schatten sinkt.

Stundenlang fällt härener Schnee ans Fenster
Jagt den Himmel mit schwarzen Flaggen und zerbrochenen Masten die Nacht.

 

Fassung: 1.
Zu den Fassungen 2 und 4 im Nachlass sowie der Drittfassung in 'Sebastian im Traum', jeweils unter dem Titel ‘Am Moor’.
Im Lexikon:
Endymion

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

[Am Moor]

Mantel im schwarzen Wind. Leise flüstert das stille Rohr
In der Stille des Moors; am grauen Himmel
Ein Zug von wilden Vögeln folgt;
Quere über finsteren Wassern.

Knöchern gleiten die Hände durch kahle Birken,
Knickt der Schritt in braunes Gehölz,
Wo zu sterben ein einsames Tier wohnt.

Aufruhr. In verfallener Hütte
Flattert mit schwarzen Flügeln ein gefallener Engel,
Schatten der Wolke; und der Wahnsinn des Baums;

Schrei der Elster. Altes Weiblein kreuzt den Weg
Ins Dorf. Unter schwarzem Geäst
O was bannt mit Fluch und Feuer den Schritt
Stummes Nachtgeläut; Nähe des Schnees.

Sturm. Der dunkle Geist der Fäulnis im Moor
Und die Schwermut grasender Herden.
Schweigend jagt
Den Himmel mit zerbrochnen Masten die Nacht.

 

Fassung: 2.
Zu den Fassungen 1 'Dezember' und 4 im Nachlass sowie der Drittfassung
in 'Sebastian im Traum'.
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

Am Moor

Wanderer im schwarzen Wind; leise flüstert das dürre Rohr
In der Stille des Moors. Am grauen Himmel
Ein Zug von wilden Vögeln folgt;
Quere über finsteren Wassern.

Aufruhr. In verfallener Hütte
Flattert mit schwarzen Flügeln der Geist der Fäulnis;
Verkrüppelte Birken im Herbstwind.

Abend in verödeter Schenke. Den Heimweg umwittert
Die sanfte Schwermut grasender Herden;
Erscheinung der Nacht; Kröten tauchen aus braunen Wassern.

 

Fassung: 4.
Zu den Fassungen 1 'Dezember' und 2 sowie der Drittfassung in 'Sebastian im Traum'.
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

Sommer

Sommer unter kalkgetünchten Bogen,
Vergilbtes Korn, ein Vogel der ein und aus fliegt
Abend und die dunklen Gerüche des Grüns.
Roter Mensch, auf dämmerndem Weg, wohin?
Über einsamen Hügel, vorbei am knöchernen Haus
Über die Stufen des Walds tanzt das silberne Herz.

 

Fassung: 1.
Zur Endfassung ‘Abend in Lans’ in 'Sebastian im Traum'.
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

Am Mönchsberg
Für Adolf Loos

Wo im Schatten herbstlicher Ulmen der verfallne Pfad hinabsinkt,
Ferne den Hütten von Laub, schlafenden Hirten,
Immer folgt dem Wandrer die dunkle Gestalt der Kühle

Übern knöchernen Steg, die hyazinthene Stimme des Knaben,
Leise sagend die vergessene Legende des Walds;
Sanfter ein Krankes nun lauschend im Wahnsinn.

Weich umschmeichelt ein spärliches Grün das Knie des Fremdlings,
Ein milder Gott die sehr ermüdete Stirn,
Tastet silbern der Schritt in die Stille zurück.

 

Fassung: 1.
Zur Endfassung in 'Sebastian im Traum'.
Im Lexikon:
Mönchsberg

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

Erinnerung
(Fragment)

Stille wohnte in nächtiger Höhle das Kind lauschend in der blauen Woge des Quells dem Geläute einer strahlenden Blume. Und es trat aus verfallener Mauer die bleiche Gestalt der Mutter und sie trug in schlummernden Händen das Schmerzgeborne nachtwandelnd im Garten. Und es waren die Sterne Tropfen Blutes schimmernd im kahlen Geäst des alten Baumes und sie fielen in der Nächtigen härenes Haar, und es hob die purpurnen Lider leise der Knabe, seufzend die silberne Stirne im Nachtwind.
   Wachend im Abendgarten im stillen Schatten des Vaters, o wie ängstigt dies strahlende Haupt duldend in blauer Kühle und das Schweigen in herbstlichen Zimmern. Ein goldener Kahn sank die Sonne am einsamen Hügel und es verstummten zu Häupten die ernsten Wipfel. Stille begegnet in feuchter Bläue das schlummernde Antlitz der Schwester, vergraben in ihr scharlachfarbenes Haar. Schwärzlich folgte jenem die Nacht.
   Was zwingt so stille zu stehen auf verfallener Wendeltreppe im Haus der Väter und es erlöscht in schmächtigen Händen der flackernde Leuchter. Stunde einsamer Finsternis, stummes Erwachen im Hausflur im fahlen Gespinst des Mondes. O das Lächeln des Bösen traurig und kalt, daß der Schläferin rosige Wange erbleicht. In Schauern verhüllte ein schwarzes Linnen das Fenster. Und es sprang eine Flamme aus jenes Herzen und sie brannte silbern im Dunkel, ein singender Stern. Schweigend versanken der Kindheit kristallene Pfade im Garten

 

Fassung: 1.
2. Fassung von‘Verwandlung des Bösen’ in 'Sebastian im Traum'.
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

Im Winter

Wenn der Schnee ans Fenster fällt,
Lang die Abendglocke läutet,
Vielen ist der Tisch bereitet
Und das Haus ist wohlbestellt.

Mancher auf der Wanderschaft
Kommt ans Tor auf dunklen Pfaden.
Seine Wunde voller Gnaden
Pflegt der Liebe sanfte Kraft.

O! des Menschen bloße Pein.
Der mit Engeln stumm gerungen,
Langt von heiligem Schmerz bezwungen
Still nach Gottes Brot und Wein.

 

Fassung: 1.
2. Fassung ‘Ein Winterabend' in 'Sebastian im Traum'.
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

[Herbstseele]

Tief in Grünes die Sense mäht
Blaue Luft, vergilbte Garben.
Stimmen flogen auf, verstarben
Nur ein altes Wasser geht.

Abends geht die dunkle Fahrt
Über braune Herbsteshügel
Silbern grüßt ein Weiherspiegel
Schreit der Habicht hell und hart.

 

Fassung: 1.
Zur Endfassung in
'Sebastian im Traum'.
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

Abendspiegel

Ein Kind mit braunem Haar. Schwärzliche Flammen
Verscheucht ein Schritt in feuchter Abendkühle
In dunkelgoldner Sonnenblumen Rahmen;
Ein weiches Tier versinkt auf rote Pfühle.

Ein Schatten gleitet beinern übern Spiegel
Und leise taucht aus blauer Astern Schweigen
Ein roter Mund, ein rätselvolles Siegel,
Und schwarze Augen strahlen aus den Zweigen

Des Ahorns, dessen tolle Röte blendet.
Die Mauer hat ein sanfter Leib verlassen,
Ein blauer Glanz, der in der Dämmerung endet.
Der Wind klirrt leise in den leeren Gassen.

Am offenen Fenster welken still die Stunden
Des Liebenden. Der Wolken kühne Fahrten
Sind mit dem Pfad des Einsamen verbunden.
Ein Blick sinkt silbern in den braunen Garten.

Die Hände rührt des Wassers düstre Regung.
Ein frommer Geist reift ins Kristallne, Klare.
Unsäglich ist der Vögel Flug, Begegnung
Mit Sterbenden; dem folgen dunkle Jahre.

 

Fassung: 1.
2. Fassung ‘Afra’ in 'Sebastian im Traum'
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

[Untergang]

Am Abend, wenn wir durch goldene Sommer nach Hause gehn
Sind die Schatten froher Heiliger mit uns.
Sanfter grünen die Reben rings, vergilbt das Korn
O mein Bruder, welche Ruh ist in der Welt.
Umschlungen tauchen wir in braune Wasser,
Die dunkle Grotte männlicher Schwermut
Auf dürren Pfaden kreuzen die Wege Verwester sich,
Wir aber ruhn Beseligte im Sonnenuntergang.
Friede, wo die Farben des Herbstes leuchten
Zu Häupten rauscht der Nußbaum unsre alten Vergangenheiten

 

Fassung: 1.
Zu den Fassungen 2, 3 und 4 im Nachlass sowie der Endfassung in 'Sebastian im Traum'.
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

[Untergang]

Wenn wir durch goldene Sommer nach Hause gehn
Sind die Schatten froher Heiliger um uns.
Sanfter grünen die Reben rings, vergilbt das Korn
O mein Bruder, welche Stille ist in der Welt

Zu Häupten rauscht der Ahorn unsere alten Vergangenheiten
Weht uns die Kühle blauer Wasser an,
Die dunklen Spiegel männlicher Schwermut
O mein Bruder, reift die Süße des Abends heran

Leise tönen die Lüfte am einsamen Hügel
Starb vor Zeiten
Dädalus’ Geist in rosigen Seufzern hin
O mein Bruder, verwandelt sich dunkel die Landschaft der Seele

 

Fassung: 2.
Zu den Fassungen 1, 3 und 4 im Nachlass sowie der Endfassung in 'Sebastian im Traum'.
Im Lexikon:
Dädalus

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

[Untergang]

Wenn wir durch unserer Sommer purpurnes Dunkel gehn
Treten die Schatten trauriger Mönche vor uns.
Schmächtiger glühen die Reben rings, vergilbt das Korn.
O mein Bruder, welche Stille ist in der Welt.

Zu Häupten rauscht die Eiche unsre alten Vergangenheiten
Weht uns das Antlitz steinerner Wasser an,
Die runde Grotte männlicher Schwermut,
O mein Bruder reifen schwarze Rosenkranznächte herein.

Vergangener tönen die Lüfte am einsamen Hügel,
Eines Liebenden trunkenes Saitenspiel.
Unter Dornenbogen
O mein Bruder steigen wir blinde Zeiger gen Mitternacht

 

Fassung: 3.
zu den Fassungen 1, 2 und 4 im Nachlass sowie der Endfassung in 'Sebastian im Traum'.
Im Lexikon:
Rosenkranz

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

Untergang

Unter den dunklen Bogen unserer Schwermut
Spielen am Abend die Schatten verstorbener Engel.
Über den weißen Weiher
Sind die wilden Vögel fortgezogen.

Träumend unter Silberweiden
Kosen unsere Wangen vergilbte Sterne,
Beugt sich die Stirne vergangener Nächte herein.
Immer starrt uns das Antlitz unserer weißen Gräber an.

Leise verfallen die Lüfte am einsamen Hügel,
Die kahlen Mauern des herbstlichen Hains.
Unter Dornenbogen
O mein Bruder steigen wir blinde Zeiger gen Mitternacht.

 

Fassung: 4.
zu den Fassungen 1, 2, und 3 im Nachlass sowie der Endfassung in 'Sebastian im Traum'.
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

Am Hügel

Still vergeht am Saum des Waldes
Ein dunkles Wild
Am Hügel endet leise der Abendwind,

Balde verstummt die Klage der Amsel
Und die Flöten des Herbstes
Schweigen im Rohr.

Mit silbernen Dornen
Schlägt uns der Frost,
Sterbende wir über Gräber geneigt

Oben löst sich blaues Gewölk;
Aus schwarzem Verfall
Treten Gottes strahlende Engel

 

Fassung: 1.
Zur Endfassung ‘Geistliche Dämmerung' in 'Sebastian im Traum'.
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

Wanderers Schlaf

Immer lehnt am Felsen die weiße Nacht
Wo in Silbertönen die Föhre ragt
Stein und Sterne sind.

Über den Gießbach wölbt sich der knöcherne Steg
Folgt dem Schläfer die dunkle Gestalt der Kühle,
Sichelmond in rosiger Schlucht.

Ferne schlummernden Hirten. In altem Gestein
Schaut aus kristallenen Augen die Kröte
Erwacht der blühende Wind, die Silberstimme
Des Totengleichen.

Leise sagend die vergessene Legende des Walds
Das weiße Antlitz des Engels
Leise umschmeichelt sein Knie der [...] Schaum des Wassers

Rosige Knospe
Des Singenden trauriger Vogelmund.
Ein schöner Glanz erwacht auf seiner Stirne

Stein und Stern
Darin der weiße Fremdling ehdem gewohnt.

 

Fassung: 1.
Zur Endfassung ‘Der Wanderer' in 'Sebastian im Traum'.
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

Passion

Wenn silbern Orpheus die Laute rührt,
Beklagend ein Totes im Abendgarten -
Wer bist du Ruhendes unter hohen Bäumen?
Es rauscht die Klage das herbstliche Rohr,
Der blaue Teich.

Weh, der schmalen Gestalt des Knaben,
Die purpurn erglüht,
Schmerzlicher Mutter, in blauem Mantel
Verhüllend ihre heilige Schmach.

Weh, des Geborenen, daß er stürbe,
Eh er die glühende Frucht,
Die bittere der Schuld genossen.

Wen weinst du unter dämmernden Bäumen?
Die Schwester, dunkle Liebe
Eines wilden Geschlechts,
Dem auf goldenen Rädern der Tag davonrauscht.

O, daß frömmer die Nacht käme,
Kristus.

Was schweigst du unter schwarzen Bäumen?
Den Sternenfrost des Winters,
Gottes Geburt
Und die Hirten an der Krippe aus Stroh.

Blaue Monde
Versanken die Augen des Blinden in härener Höhle.

Ein Leichnam suchest du unter grünenden Bäumen
Deine Braut,
Die silberne Rose
Schwebend über dem nächtlichen Hügel.

 

Wandelnd an den schwarzen Ufern
Des Todes,
Purpurn erblüht im Herzen die Höllenblume.

Über seufzende Wasser geneigt
Sieh dein Gemahl: Antlitz starrend von Aussatz
Und ihr Haar flattert wild in der Nacht.

Zwei Wölfe im finsteren Wald
Mischten wir unser Blut in steinerner Umarmung
Und die Sterne unseres Geschlechts fielen auf uns.

O, der Stachel des Todes.
Verblichene schauen wir uns am Kreuzweg
Und in silbernen Augen
Spiegeln sich die schwarzen Schatten unserer Wildnis,
Gräßliches Lachen, das unsere Münder zerbrach.

Dornige Stufen sinken ins Dunkel,
Daß röter von kühlen Füßen
Das Blut hinströme auf den steinigen Acker.

Auf purpurner Flut
Schaukelt wachend die silberne Schläferin.

 

Jener aber ward ein schneeiger Baum
Am Beinerhügel,
Ein Wild äugend aus eiternder Wunde,
Wieder ein schweigender Stein.

O, die sanfte Sternenstunde
Dieser kristallnen Ruh,
Da in dorniger Kammer
Das aussätzige Antlitz von dir fiel.

Nächtlich tönt der Seele einsames Saitenspiel
Dunkler Verzückung
Voll zu den silbernen Füßen der Büßerin
Im verlorenen Garten;
Und an dorniger Hecke knospt der blaue Frühling.

Unter dunklen Olivenbäumen
Tritt der rosige Engel
Des Morgens aus dem Grab der Liebenden.

 

Fassung: 1.
Zur Zweitfassung im Nachlass und Endfassung in 'Sebastian im Traum'.
Im Lexikon:
Orpheus - Kristus

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

Passion

Wenn silbern Orpheus die Laute rührt,
Beklagend ein Totes im Abendgarten -
Wer bist du Ruhendes unter hohen Bäumen?
Es rauscht die Klage das herbstliche Rohr,
Der blaue Teich.

Weh, der schmalen Gestalt des Knaben,
Die purpurn erglüht,
Schmerzlicher Mutter, in blauem Mantel
Verhüllend ihre heilige Schmach.

Weh, des Geborenen, daß er stürbe,
Eh er die glühende Frucht,
Die bittere der Schuld genossen.

Wen weinst du unter dämmernden Bäumen?
Die Schwester, dunkle Liebe
Eines wilden Geschlechts,
Dem auf goldenen Rädern der Tag davonrauscht.

O, daß frömmer die Nacht käme,
Kristus.

Ein Leichnam suchest du unter grünenden Bäumen
Deine Braut,
Die silberne Rose
Schwebend über dem nächtlichen Hügel.

Wandelnd an den schwarzen Ufern
Des Todes,
Purpurn erblüht im Herzen die Höllenblume.

Über seufzende Wasser geneigt
Sieh dein Gemahl: Antlitz starrend von Aussatz
Und ihr Haar flattert wild in der Nacht.

Zwei Wölfe im finsteren Wald
Mischten wir unser Blut in steinerner Umarmung
Und die Sterne unseres Geschlechts fielen auf uns.

O, der Stachel des Todes.
Verblichene schauen wir uns am Kreuzweg
Und in silbernen Augen
Spiegeln sich die schwarzen Schatten unserer Wildnis,
Gräßliches Lachen, das unsere Münder zerbrach.

Dornige Stufen sinken ins Dunkel,
Daß röter von kühlen Füßen
Das Blut hinströme auf den steinigen Acker.

Auf purpurner Flut
Schaukelt wachend die silberne Schläferin.

 

Jener aber ward ein schneeiger Baum
Am Beinerhügel,
Ein Wild äugend aus eiternder Wunde,
Wieder ein schweigender Stein.

O, die sanfte Sternenstunde
Dieser kristallnen Ruh,
Da in dorniger Kammer
Das aussätzige Antlitz von dir fiel.

Nächtlich tönt der Seele einsames Saitenspiel
Dunkler Verzückung
Voll zu den silbernen Füßen der Büßerin
In der blauen Stille
Und Versühnung des Ölbaums.

 

Fassung: 2.
Zur Erstfassung im Nachlass und Endfassung in 'Sebastian im Traum'.
Im Lexikon:
Orpheus - Kristus

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

[Vorhölle]

Am Saum des Waldes - es wohnen dort die Schatten der Toten -
Am Hügel sinkt ein goldener Kahn, der Wolken blaue Ruh
Weidend in der braunen Stille der Eichen. Härene Angst
Odmet das Herz, Kelch überfließend von purpurner Abendröte,
Dunkle Schwermut. Den Lauscher im Laub, ein Geistliches
Geleitet der Schritt den verfallenen Pfad hinab.
Nachweht Kühle aus klagendem Mund, als folgte ein schmächtiger Leichnam.

 

Fassung: 1 (1. Strophe).
Zur Endfassung in 'Sebastian im Traum'.
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

Abendland

Verfallene Weiler versanken
Im braunen November,
Die dunklen Pfade der Dörfler
Unter verkrüppelten
Apfelbäumchen, die Klage
Der Frauen im silbernen Flor.

Hinstirbt der Väter Geschlecht.
Es ist von Seufzern
Erfüllt der Abendwind
Dem Geist der Wälder.
Stille führet der Steg
Zu wolkigen Rosen
Ein frommes Wild am Hügel
Und es tönen
Die blauen Quellen im Dunkel
Daß ein Sanftes
Ein Kind geboren werde.

Leise verließ am Kreuzweg
Der Schatten den Fremdling
Und steinern erblinden
Dem die schauenden Augen,
Daß von der Lippe
Süßer fließe das Lied.
Denn es ist Nacht
Die Wohnung des Liebenden,
Ist sprachlos das blaue Antlitz
Über ein Totes
Die Schläfe aufgetan;
Kristallner Anblick.
Dem folgt auf dunklen Pfaden
An Mauern hin
Ein Abgestorbenes nach.

 

Fassung: 1a.
Zu den Fassungen 1b, 2 und 3 im Nachlass sowie der Endfassung in 'Sebastian im Traum'.
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

Wanderschaft

So leise sind die grünen Wälder
Unserer Heimat
Die Sonne sinkt am Hügel
Und wir haben im Schlaf geweint;
Wandern wir mit weißen Schritten
An der dornigen Hecke hin
Singende im Ährensommer
Und Schmerzgeborne.

Schon reift dem Menschen das Korn
Und die heilige Rebe
Und in steinernem Zimmer,
Im kühlen ist bereitet das Mahl.
Auch ist dem Guten
Das Herz versöhnt in grüner Stille
Und Kühle hoher Bäume
Speise teilt er mit sanften Händen aus.

Vieles ist ein Wachendes
In der sternigen Nacht
Und schön die Bläue,
Schreitend ein Bleiches, Odmendes,
Ein Saitenspiel.

Gelehnt an den Hügel der Bruder
Und Fremdling,
Der menschenverlassene, ihm sanken
Die feuchten Lider
In unsäglicher Schwermut.
Aus schwärzlicher Wolke
Träufelt bitterer Mohn.

Mondesweiß schweiget der Pfad
An jenen Pappeln hin
Und balde
Endet des Menschen Wanderschaft,
Gerechte Duldung.
Auch freuet die Stille der Kinder,
Die Nähe der Engel
Auf kristallener Wiese.

 

Fassung: 1b (von ‘Abendland').
Zu dessen Fassungen 1a, 2 und 3 im Nachlass sowie der Endfassung in 'Sebastian im Traum'.
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

Abendland

1

Verfallene Weiler versanken
Im braunen November,
Die dunklen Pfade der Dörfler
Unter verkrüppelten
Apfelbäumchen, die Klagen
Der Frauen im silbernen Flor.

Hinstirbt der Väter Geschlecht.
Es ist von Seufzern
Erfüllt der Abendwind,
Dem Geist der Wälder.

Stille führt der Steg
Zu wolkigen Rosen
Ein frommes Wild am Hügel;
Und es tönen
Die blauen Quellen im Dunkel,
Daß ein Sanftes,
Ein Kind geboren werde.

Leise verließ am Kreuzweg
Der Schatten den Fremdling
Und steinern erblinden
Dem die schauenden Augen,
Daß von der Lippe
Süßer fließe das Lied;

Denn es ist die Nacht
Die Wohnung des Liebenden,
Ist sprachlos das blaue Antlitz,
Über ein Totes
Die Schläfe aufgetan;
Kristallener Anblick;

Dem folgt auf dunklen Pfaden
An Mauern hin
Ein Abgestorbenes nach.

2

Wenn es Nacht geworden ist
Erscheinen unsre Sterne am Himmel
Unter alten Olivenbäumen,
Oder an dunklen Zypressen hin
Wandern wir weiße Wege;
Schwerttragender Engel:
Mein Bruder.
Es schweigt der versteinerte Mund
Das dunkle Lied der Schmerzen.

Wieder begegnet ein Totes
Im weißen Linnen
Und es fallen der Blüten
Viele über den Felsenpfad.

Silbern weinet ein Krankes,
Aussätziges am Weiher,
Wo vor Zeiten
Froh im Nachmittag Liebende geruht.

Oder es läuten die Schritte
Elis’ durch den Hain,
Den hyazinthenen,
Wieder verhallend unter Eichen.
O des Knaben Gestalt
Geformt aus kristallenen Tränen
Und nächtigen Schatten.

Anders ahnt die Stille Vollkommenes,
Die kühle, kindliche,
Wenn über grünendem Hügel
Frühlingsgewitter ertönt.

3

So leise sind die grünen Wälder
Unserer Heimat,
Die Sonne sinkt am Hügel
Und wir haben im Schlaf geweint;
Wandern mit weißen Schritten
An der dornigen Hecke hin
Singende im Ährensommer
Und Schmerzgeborene.

Schon reift dem Menschen das Korn,
Die heilige Rebe.
Und in steinernem Zimmer,
Im kühlen, ist bereitet das Mahl.
Auch ist dem Guten
Das Herz versöhnt in grüner Stille
Und Kühle hoher Bäume.
Speise teilt er mit sanften Händen aus.

Vieles ist ein Wachendes
In der sternigen Nacht
Und schön die Bläue,
Schreitend ein Bleiches, Odmendes,
Ein Saitenspiel.

Gelehnt an den Hügel der Bruder
Und Fremdling,
Der menschenverlassene, ihm sanken
Die feuchten Lider
In unsäglicher Schwermut.
Aus schwärzlicher Wolke
Träufelt bitterer Mohn.

Mondesweiß schweigt der Pfad
An jenen Pappeln hin
Und balde
Endet des Menschen Wanderschaft,
Gerechte Duldung.
Auch freut die Stille der Kinder
Die Nähe der Engel
Auf kristallener Wiese.

4

Ein Knabe mit zerbrochener Brust
Hinstirbt Gesang in der Nacht.
Laß nur stille am Hügel gehn
Unter den Bäumen
Gefolgt vom Schatten des Wilds.
Süß duften die Veilchen im Wiesengrund.

Oder laß treten ins steinerne Haus,
Im gramvollen Schatten der Mutter
Neigen das Haupt.
In feuchter Bläue leuchtet das Lämpchen
Die Nacht lang;
Denn es ruht der Schmerz nicht mehr;

Auch sind die weißen Gestalten
Der Odmenden, die Freunde ferne gegangen;
Gewaltig schweigen die Mauern rings.

5

Wenn es auf der Straße dunkelt
Und es begegnet in blauem Linnen
Ein lange Abgeschiedenes,
O, wie schwanken die tönenden Schritte
Und es schweigt das grünende Haupt.

Groß sind Städte aufgebaut
Und steinern in der Ebene;
Aber es folgt der Heimatlose
Mit offener Stirne dem Wind,
Den Bäumen am Hügel;
Auch ängstet öfter die Abendröte.

Balde rauschen die Wasser
Laut in der Nacht,
Rührt die kristallenen Wangen
Eines Mädchens der Engel,
Ihr blondes Haar,
Beschwert von der Schwester Tränen.

Dieses ist oft Liebe: es rührt
Ein blühender Dornenbusch
Die kalten Finger des Fremdlings
Im Vorübergehn;
Und es schwinden die Hütten der Dörfler
In der blauen Nacht.

In kindlicher Stille,
Im Korn, wo sprachlos ein Kreuz ragt,
Erscheint dem Schauenden
Seufzend sein Schatten und Hingang.

 

Fassung: 2.
Zu den Fassungen 1a, 1b und 3 im Nachlass sowie der Endfassung in 'Sebastian im Traum'.
Im Lexikon:
Elis

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

Abendland

1

Mond, als träte ein Totes
Aus blauer Höhle
Und es fallen der Blüten
Viele über den Felsenpfad.
Silbern weint ein Krankes
Am Abendweiher,
Auf schwarzem Kahn
Hinüberstarben Liebende.

Oder es läuten die Schritte
Elis’ durch den Hain
Den hyazinthenen
Wieder verhallend unter Eichen.
O des Knaben Gestalt
Geformt aus kristallenen Tränen,
Nächtigen Schatten.
Zackige Blitze erhellen die Schläfe
Die immerkühle,
Wenn am grünenden Hügel
Frühlingsgewitter ertönt.

2

So leise sind die grünen Wälder
Unsrer Heimat,
Die kristallen Woge
Hinsterbend an verfallner Mauer
Und wir haben im Schlaf geweint;
Wandern mit zögernden Schritten
An der dornigen Hecke hin
Singende im Abendsommer,
In heiliger Ruh
Des fern verstrahlenden Weinbergs
Schatten nun im kühlen Schoß
Der Nacht, trauernde Adler.
So leise schließt ein mondener Strahl
Die purpurnen Male der Schwermut.

3

Strahlend nachtet die steinerne Stadt
In der Ebene.
Ein schwarzer Schatten
Folgt der Fremdling
Mit dunkler Stirne dem Wind,
Kahlen Bäumen am Hügel;
Auch ängstet im Herzen
Einsame Abendröte
Als stürzten silberne Wasser
Ins kühle Dunkel -
O Liebe, es rührt
Ein blauer Dornenbusch
Die kalte Schläfe,
Mit fallenden Sternen
Schneeige Nacht.

 

Fassung: 3.
Zu den Fassungen 1a, 1b und 2 im Nachlass sowie der Endfassung in 'Sebastian im Traum'.
Im Lexikon:
Elis

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

An Mauern hin

Nimmer das goldene Antlitz des Frühlings;
Dunkles Lachen im Haselgebüsch. Abendspaziergang im Wald
Und der inbrünstige Schrei der Amsel.
Taglang rauscht in der Seele des Fremdlings das glühende Grün.

Metallne Minute: Mittag, Verzweiflung des Sommers;
Die Schatten der Buchen und das gelbliche Korn.
Taufe in keuschen Wassern. O der purpurne Mensch.
Ihm aber gleichen Wald, Weiher und weißes Wild.

Kreuz und Kirche im Dorf. In dunklem Gespräch
Erkannten sich Mann und Weib
Und an kahler Mauer wandelt mit seinen Gestirnen der Einsame.

Leise über den mondbeglänzten Weg des Walds
Sank die Wildnis vergessener Jagden.
Blick der Bläue aus verfallenen Felsen bricht.

 

Fassung: 1.
Zur Endfassung Im Dunkel' in 'Sebastian im Traum'.
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

[Der Schlaf]

Getrost ihr dunklen Gifte
Erzeugend weißen Schlaf
Einen höchst seltsamen Garten
Dämmernder Bäume
Erfüllt von Schlangen, Nachtfaltern,
Fledermäusen;
Fremdling dein jammervoller Schatten
Schwankt, bittere Trübsal
Im Abendrot!
Uralt einsame Wasser
Versanken im Sand.

Weiße Hirsche am Nachtsaum
Sterne vielleicht!
Gehüllt in Spinnenschleier
Schimmert toter Auswurf.
Eisernes Anschaun.
Dornen umschweben
Den blauen Pfad ins Dorf,
Ein purpurnes Lachen
Den Lauscher in leerer Schenke.
Über die Diele
Tanzt mondesweiß
Des Bösen gewaltiger Schatten.

 

Fassung: 1.
Zur Endfassung in 'Sonstige Veröffentlichungen'.
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

An

Die Kühle dunkler Jahre, Schmerz und Hoffnung
Bewahrt dies braune Gebälk
Darüber flammend Georginen hangen.
Als sänke ein goldner Helm von blutender Stirne
Stille endet der Tag,
Schaut Kindheit sanft aus den schwärzlichen Augen an.
Leise verstrahlen im Abend die roten Buchen,
Liebe, Hoffnung, daß von blauen Lidern
Tau tropft unaufhaltsam.
Einsame Heimkehr! Die dunklen Rufe der Fischer
Tönen immer am dämmernden Fluß;
Liebe, Nacht, der Schwermut kristallne Minuten
Hinüberschimmernd, Sterne, schon stilleres Anschaun

 

Fassung: 1.
Zur Endfassung Die Heimkehr' in 'Sonstige Veröffentlichungen';
Fassung 1a von ‘Herbstliche Heimkehr' in den Versionen 1b, 2 und 3 im Nachlass.
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

Im Schnee

Der Wahrheit nachsinnen -
Viel Schmerz!
Endlich Begeisterung
Bis zum Tod.
Winternacht
Du reine Mönchin!

 

Fassung: 1 (von ‘Nachtergebung’).
Zu den Fassungen 2, 3 und 4 im Nachlass sowie der Endfassung in 'Sonstige Veröffentlichungen'.
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

Anblick

Da so rot der Herbst und leise
Unter Ulmen dunkle Qual
Dämmernd Dorf und Liebesmahl
Falke winkt auf goldner Reise.

Stirne blutet sanft und dunkel
Sonnenblume welkt am Zaun
Schwermut blaut im Schoß der Fraun;
Gottes Wort im Sterngefunkel!

Purpurn flackert Mund und Lüge.
In verfallnem Zimmer kühl,
Scheint nur Lachen, golden Spiel,
Daß ein Sturm dies Haupt zerschlüge

Nachts mit Blitzen; schwärzlich fallen
Faule Früchte nachts vom Baum.
Kind an deinem blauen Saum
Muß ich stumm vorüberwallen.

 

Fassung: 2 (von ‘Nachtergebung').
Zu den Fassungen 1, 3 und 4 im Nachlass sowie der Endfassung in 'Sonstige Veröffentlichungen'.
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

An die Nacht

Mönchin schließ mich in dein Dunkel,
Kreuz im kühlen Sterngefunkel.
Purpurn brachen Mund und Lüge
Einer Glocke letzte Züge.
Nacht dein lüstern Wolkendunkel
Rote Frucht, verfluchte Lüge
Einer Glocke letzte Züge -
Blutend Kreuz im Sterngefunkel.

 

Fassung: 3 (von ‘Nachtergebung').
Zu den Fassungen 1, 2, und 4 im Nachlass sowie der Endfassung in 'sonstige Veröffentlichungen'.
Im Lexikon: -

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 

An die Nacht

Nymphe zieh mich in dein Dunkel;
Aster friert und schwankt am Zaun,
Schwermut blüht im Schoß der Fraun,
Blutend Kreuz im Sterngefunkel.

Purpurn brachen Mund und Lüge
In verfallner Kammer kühl;
Scheint noch Lachen, golden Spiel;
Einer Glocke letzte Züge.

Blaue Wolke! Schwärzlich fallen
Faule Früchte dumpf vom Baum
Und zum Grabe wird der Raum
Und zum Traum trüb’ Erdenwallen.

 

Fassung: 4 (von ‘Nachtergebung').
Zu den Fassungen 1, 2, und 3 im Nachlass sowie der Endfassung in 'Sonstige Veröffentlichungen'.
Im Lexikon:
Nymphe

<<zurück
zum Trakltext-Verzeichnis
nach oben

 
Web Literaturnische

Gesamtübersicht der Trakl-Seiten:

Alle literarischen Texte und Briefe
Kaleidoskope der Mehrdeutigkeit
Materialien zu Trakl
Mailnische

zu